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Nachtleben

Nachtleben

Titel: Nachtleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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zurückzukommen, weil ich mir nicht sicher war, in was ich mich verstricken würde, schaute ich irgendwann aus reiner Neugierde bei Berti vorbei. Er bot mir sofort den völlig überbezahlten Job im Hotel an. Tausend Euro netto und nur zwanzig Stunden Arbeitszeit pro Woche. Als ich nach Urlaub fragte, strich Berti sich über den Schnurrbart, zuckte mit den Schultern und murmelte: »Machste halt, wie’s kommt.«
    Einige Monate zuvor hatte Flavio mit den Security-Jobs aufgehört, und so sagte ich sofort zu.
    Viel zu tun gab es im Hotel nicht. Einmal im Monat kamen spezielle Gäste vorbei, Geschäftsfreunde von Berti, meistens aus der Schweiz, die er vorher ankündigte und die in den |282| besseren Zimmern untergebracht wurden. Sie bezahlten nie. Fremde verirrten sich nur selten in diesen Teil des Viertels, und um sicherzustellen, dass von den wenigen, die dennoch vorbeikamen, möglichst wenige das Hotel bemerkten, ließen wir die Außenbeleuchtung ausgeschaltet. Wenn trotzdem Leute auftauchten, meistens Ausländer, Rucksacktouristen oder Studenten, die für ein Wochenende in der Stadt waren und niedrige Preise bei uns erwarteten, zogen sie meistens dann weiter, wenn sie erfuhren, dass wir sechzig Euro pro Nacht berechneten, ohne Frühstück. Manchmal hatten wir drei, vier Gäste pro Woche, manchmal tagelang niemanden. Je weniger Gäste aufliefen, desto besser. Nur einmal kamen wir ins Schleudern, als ein kirchlicher Jugendtag in der Stadt stattfand und eine Reisegruppe südamerikanischer Jugendlicher vor der Tür stand. Sie beschwerten sich über nichts und hinterließen die Zimmer sauberer, als sie sie vorgefunden hatten.
     
    Flavio wandte seinen Blick von der Glotze ab, drückte seine Fingerspitzen auf die Plastiktischdecke, bis sie festklebten, und zog sie dann einige Zentimeter in die Höhe, bevor sie sich mit einem leisen Schmatzen lösten.
    »Ich treffe mich morgen wieder mit dieser Paula«, sagte er.
    »Unter der Woche?«, fragte ich. »Wieder was Ernstes?«
    »Wir gehen ins Kino.«
    »Du triffst dich nüchtern an einem Wochentag mit einer Frau, um ins Kino zu gehen?«, fasste ich zusammen und setzte ein erstauntes Gesicht auf.
    »Sie will halt diesen einen Film sehen.«
    »Hmhm.«
    »Ey, Rick, die macht mich total irre«, sagte Flavio. »Ich kann an gar nichts anderes mehr denken, Alter. Das ist total … nicht so wie sonst. Ich habe mir gestern so komische Cremes und Hautpflegekram gekauft, nachdem ich mir mal meine Haut aus der Nähe angeguckt habe.« Ich lachte leise. »Ja, du |283| lachst, ey. Meine Haut ist total schlecht. Und ich habe Haare auf der Nase. Kleine schwarze Borsten. Das hatte ich noch gar nicht bemerkt. Habe ich gestern rasiert.«
    Mit gespieltem Ernst sah ich Flavio an. »Du hast dir die Nase rasiert«, sagte ich tonlos.
    Flavio kicherte und nahm einen Schluck Kaffee. »Aber echt mal: Wenn ich mich mit Paula bei Tageslicht treffe, sieht meine Haut, glaube ich, echt schlimm aus.« Damit drehte er mir demonstrativ seine Wange zu. »Guck mal.«
    Obwohl ich im dämmrigen Licht nichts sehen konnte, sagte ich: »Ist schon noch okay.«
    »Rick, ich habe die noch nicht mal geküsst«, sagte er und rieb sich durchs Gesicht. »Außerdem ist die zwei Jahre älter als ich. Ich hatte noch nie was mit ’ner Älteren. Und die hat einen richtigen Job. Also einen richtig guten, meine ich. Die ist schlau.«
    »Was macht die denn?«
    »Habe ich nicht verstanden«, sagte er und kippte sich einen weiteren Schwung Kaffee in den Hals. »Irgendwas in ’nem Labor oder so.«
    Wir sahen uns an.
    »Klingt doch super.«
    Flavio schüttelte den Kopf. »Mann, jetzt werde ich alt. Mich haben zum Schluss auch diese ganzen zwanzigjährigen Mädels am Wochenende total aggressiv gemacht, wenn die mit ihren Ärschen gewackelt haben. Nicht, dass ich nicht wollte, aber …«, er unterbrach sich und starrte auf die Mattscheibe. Zwei Kickboxer tänzelten umeinander, und Flavio duckte den Kopf zur Seite, als würde er mit ihnen im Ring stehen.
    »Ey, diese Mädels, ja? Diese Neunzehnjährigen«, fuhr er fort, »die waren im Kindergarten, als wir beide uns kennengelernt haben. Im Kindergarten. Verstehste?«
    Den Kopf weit im Nacken, nahm er den letzten Schluck Kaffee und stellte die Tasse anschließend vor mir ab, als solle |284| ich sie abräumen. Eine dünne Schicht Zuckerkristalle glitzerte darin.
    Ich schmunzelte. »Willste noch auslöffeln?«
    »Kindergarten«, wiederholte Flavio im Flüsterton.
    In dem Moment schnurrte ein

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