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Nachtleben

Nachtleben

Titel: Nachtleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Auto auf den Hinterhof, eine Tür klappte, und ich hörte Bertis Stiefeletten auf die Terrasse zuklackern. Schließlich sah er durch die Glastür zu uns herein. Er zog sich die Jeans über den Bauch. Ich lehnte mich ein Stück zur Seite und öffnete die Tür.
    »Na, Sportsfreunde?«, begrüßte er uns, klopfte mir auf die Schulter und sagte dann, an Flavio gerichtet: »Wieder am Kaffeeschnorren, was?«
    Flavio lächelte gequält. Ihm waren Berti und seine Machenschaften nicht ganz geheuer. Er stand auf. »Rick, ich mache mich erst mal auf den Weg.«
    »Ruf mal an, wenn du mit Paula im Kino gewesen bist.«
    »Oh«, sagte Berti, während er sich Kaffee einschenkte. »Frischfleisch?«
    »Ey«, erwiderte Flavio ruppig, aber doch eher halbherzig. »Red nicht so über meine Frau.«
    Berti sah erst Flavio und dann mich überrascht an, bevor er grinsend nickte und seinen Kaffee abschlürfte. Einzelne Tröpfchen blieben in seinem Schnurrbart hängen und funkelten dort wie Weihnachtskugeln in Tannenzweigen.
    »Kein Problem, Dicker«, sagte er. Flavio warf mir einen ernsten Blick zu und verschwand.
    Berti lupfte die Augenbrauen und deutete auf den Whiskey-Flachmann. Nachdem ich genickt hatte, kippte er sich einen Schuss in den Kaffee.
    »Habe einen Karton Glühbirnen im Kofferraum«, sagte er. »Kannste nachher mal machen, ja?«
    »Klar.«
    »Wie sieht’s denn bei dir eigentlich finanziell aus zur Zeit?«
    »Knapp wie immer. Aber schon okay.«
    Langsam stellte Berti seine Tasse ab und sah mich prüfend |285| an. »Musst du nachher vielleicht noch so grobe Richtung Universität? In der Ecke wohnt ein Bekannter, der hier neulich was liegengelassen hat.«
    Mit den Worten schloss er ein Schränkchen auf, zu dem nur er den Schlüssel besaß, holte ein verschnürtes Paket in braunem Packpapier heraus und stellte es in die Mitte des Tisches.
    »Was ist das?«, fragte ich.
    Berti sah mich nur stumm an und wackelte mit dem Bart. »Außerdem«, sagte er schließlich, »gibt’s natürlich Sondergratifikationen für das Glühbirnenwechseln. Zweihundert Euro.«
    »Zweihundert?«
    Berti nickte und setzte sich mir gegenüber.
    »Und ich bringe diesem Bekannten nur sein Paket zurück?«, fragte ich.
    »Genau. Klingeln und abgeben. Mehr nicht«, bestätigte er. »Wollte ich dich schon länger mal wegen fragen. Ich kenne total viele vergessliche Leute. Die kommen immer mal wieder zu Besuch vorbei.« Er schob das Päckchen über den Tisch auf mich zu.
    »Und die Sondergratifikationen?«, wollte ich wissen.
    »Ja, ach so«, sagte er. »Na, das sind natürlich zweihundert Tacken pro Birne. Die müssen nur nach und nach ausgezahlt werden. Hotel-Recht. Is ziemlich kompliziert. Habe ich einen Anwalt für. Wenn du so zwanzig Birnen auswechselst, kommt da schon was bei rum.«
    »Kann ich machen.«

|286| Dezember 2007
    Es war dunkel geworden. Die Lichter der entgegenkommenden Fahrzeuge verschmierten unter dem Quietschen des Wischerblatts auf der Windschutzscheibe, während die Kälte der Straße durch das Bodenblech in den Wagen einzog. Meine Haut fühlte sich an wie Butterbrotpapier. Ich blinzelte und spannte meine Gesichtsmuskeln an, rieb mir den Nacken und knetete meine Knie. Das Dröhnen des Motors nahm ich kaum noch wahr, ebenso wenig den Fahrtwind, der an den Seitenfenstern rüttelte. Ingrid gähnte inzwischen nicht mehr schüchtern in sich hinein, sondern mit sperrangelweit aufgerissenem Mund.
    Nachdem wir einige Kilometer am Bodensee entlang durch Österreich gejuckelt waren, kam schließlich der Grenzübergang zur Schweiz in Sichtweite. Ein eckiges, einstöckiges Gebäude wie aus Lego gebastelt, unter einem von Säulen getragenen Überdach aus Metall. Rechts und links führte die Straße vorbei. Schon seit Stunden hatte ich keinen Gedanken mehr an den Rucksack verschwendet, den ich am Abend vorher bei Berti abgeholt hatte und der jetzt zwischen meinem Sitz und der Rückbank klemmte, aber je näher wir der Zollstation kamen, desto mehr Platz schien er in Anspruch zu nehmen.
    Mit hochgeschlagenem Kragen und mürrischem Gesichtsaudruck stand ein Zollbeamter im Nieselregen, trippelte in seinem Regenmantel von einem Bein aufs andere und ließ den Arm baumeln. Dabei drehte er eine Polizeikelle in seiner Hand wie einen Tennisschläger. Den Blicken nach zu urteilen, die er uns zuwarf, waren wir nicht mehr als stokelige Balljungen. Bei dem Gesicht, das er zog, befürchtete ich, dass er |287| aus purem Frust über seinen Job erst den Wagen

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