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Nachtleben

Nachtleben

Titel: Nachtleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Weihnachten. Die wohnen immer noch im tiefsten Bayern und überweisen mir Geld. Zu fragen, wann ich mit dem Studium fertig bin oder wie’s mir wirklich geht, trauen sie sich irgendwie nicht. Mit dem Studium habe ich direkt nach dem Abi angefangen, um von den beiden wegzukommen. Irgendwie zieht’s sich jetzt. Ich wollte halt unbedingt zurück in unsere alte Umgebung. Keine Ahnung, weshalb. Weißt du noch«, sie schluckte angestrengt, »weißt du noch, wo wir früher gewohnt haben? In welcher Straße?«
    Ich nickte.
    »Die haben unser altes Haus grundsaniert«, sagte ich. »Neue Fenster. Neu gestrichen. Das ist jetzt rosa. Mit weißem Sims. Sieht aus wie ein Puff.«
    Ingrid blinzelte. Ich schnippte die aufgerauchte Zigarette unter den LKW.
    »Hast du Vorstrafen?«, wollte Ingrid wissen.
    »Ich habe zu meiner Zivizeit mal Gras verkauft und bin erwischt worden. Als Türsteher hatte ich im Laufe der Zeit ein paar Anklagen. Bin aber immer davongekommen. Und den Führerschein bin ich wegen knapp einem Gramm Speed los.«
    »Weil du auf Speed Auto gefahren bist?«
    |300| »Nee, das muss man gar nicht. Wenn die Zeug bei dir finden und mit einem Screening nachweisen können, dass du was genommen hast und du einen Führerschein hast, bist du das Ding halt los. Das war eigentlich das Zeug von einem Kumpel, aber der brauchte den Führerschein dringender als ich. Die haben uns nur zufällig kontrolliert, eigentlich ihn, und … na ja, wir haben uns da ein bisschen blöd angestellt.«
    »Und du hast gesagt, dass das deine Drogen sind?«
    Ich nickte.
    »Speed habe ich schon lange nicht mehr gezogen«, sagte Ingrid, und ich musste wieder lachen.
    »Mehr Vorstrafen hast du nicht?«, fragte sie.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Tss«, machte sie und drückte mir den Autoschlüssel in die Hand. »Dann fahr mal schön.«
    Ich zwängte mich hinter das Lenkrad, ordnete meine Beine und startete den Wagen.
    »Lass uns drüben an der Tankstelle noch mal Zigaretten kaufen«, sagte Ingrid.

|301| Dezember 2006
    An der Haustür von Flavios Eltern blinkte ein bunter Stern aus LED-Leuchten. Durchs gekippte Küchenfenster hörte ich italienische Weihnachtsschlager und das Klappern von Blechen und Schalen. Flavios Mutter öffnete die Tür.
    »Richard«, sagte sie überrascht. »Es ist gerade mal vier Uhr.« Sie wischte sich mit dem Rücken ihrer mehlverschmierten Hand über die Stirn.
    Obwohl ich wusste, dass ich zu früh dran war, sagte ich: »Pünktlich wie die Maurer.«
    »Sechs! Wie immer.« Aber noch bevor ich antworten konnte, zog sie mich ins Haus. »Dann hilfst du jetzt beim Kochen, bis die Männer kommen«, sagte sie und schloss die Tür. Sie schob mich vor sich her in die Küche, wo zwei von Flavios Tanten, Maria und Carla, und seine Oma zugange waren, während seine Cousine Giulia gelangweilt am Küchentisch saß und an einer Kippenschachtel herumspielte.
    »Rico!« Flavios Oma, die alle nur »Nonna« nannten, warf ihre Hände in die Luft, als sei ich eine Marienerscheinung, und kam auf mich zugewackelt. Auch die anderen begrüßten mich laut und lachend. Ich breitete die Arme aus, und Nonna knuddelte mich, während sie auf Italienisch vor sich hinbrabbelte.
    »Sie sagt, dass du mit Haaren auf dem Kopf und Backenbart besser aussiehst als mit Glatze«, übersetzte Giulia und steckte sich eine Zigarette zwischen ihre knallrot geschminkten Lippen. Ihre Mutter, Carla, bemerkte die Kippe und bellte: »Auf die Terrasse!«
    »Das Fenster ist doch auf«, bellte Giulia in gleicher Tonlage |302| und Lautstärke zurück und knallte das Feuerzeug auf die Tischplatte, worauf Carla und Flavios Mutter noch einen Deut lauter zurückschnatterten. Anfangs noch auf Deutsch, dann mischten sich Nonna und Maria auf Italienisch ein. Giulia verdrehte die Augen, Flavios Mutter schaltete den Mixer ein, und die Rührbesen klackerten gegen die Plastikschale. In dem Moment kamen drei von Flavios jüngeren Cousinen in die Küche gestürmt, riefen meinen Namen und zuppelten an meiner Jacke. Giulia fuchtelte, nach wie vor schimpfend, mit den Händen in der Luft herum, wobei Asche auf eines der Backbleche rieselte. Prompt verwandelte sich Nonna in eine zeternde Furie, schubste die Kinder beiseite und tapste auf Giulia zu, packte sie am Handgelenk und zog sie hinter sich her zur Terrasse.
    »Ich leiste den beiden mal Gesellschaft, bevor ich mit anpacke«, sagte ich und folgte ihnen.
    »Immer rauchen«, murmelte Flavios Mutter und drückte den Mädchen Käse zum Naschen in

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