Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin
Affekt ausgingen.
Irgendetwas stieß Lorena sauer auf. Das passte nicht zusammen. Es kam ihr gar so vor, als solle von vornherein jeder Zweifel ausgeschlossen werden. Es war Selbstmord und Ende. Keine weiteren Fragen, keine Untersuchungen. Selbst wenn jemand Interesse daran hatte, den Fall damit abzuschließen und in Vergessenheit geraten zu lassen, seit wann ließen sich die Zeitungen auf so etwas ein? War es nicht ihre Aufgabe, den Finger in die Wunde zu legen?
Ein Polizeisprecher wurde zitiert, der sagte, es gebe keinerlei Hinweise darauf, dass sich eine weitere Person auf dem Dach befunden habe, und da man im Blut des Opfers weder Alkohol noch Drogen gefunden habe, gehe man von einer Selbsttötung im Affekt aus.
Lorena schob die Zeitung beiseite und lauschte dem Gefühl der Unzufriedenheit, das sich in ihr ausbreitete. Sie kannte das bereits. Wenn ihr »Bauch« mit ihr sprach, nützte es nichts, ihn zu ignorieren. Diese Unruhe würde sie so lange quälen, bis sie der Sache auf den Grund gegangen war. Schon zog sie ihren Laptop heraus, schaltete ihn an und begab sich auf die Suche, was im Internet über den Fall zu finden war.
In den meisten Artikeln stand nichts Neues, doch dann fand sie die Zeugenaussage eines Mitarbeiters, der berichtete, das Opfer sei seiner Kollegin, die vor ihm in die Pause gegangen war, fast vor die Füße gefallen, sodass sie einen Schock erlitten habe. Das bedeutete natürlich, dass sie nicht mit ihm auf dem Dach gewesen sein und noch weniger ihn gestoßen haben konnte. Das unterstützte zwar die Selbstmordtheorie, dennoch war Lorena mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Sie konnte nicht sagen, was ihr dabei noch immer übel aufstieß. Sie suchte nach einer Aussage der Kollegin, doch sie selbst hatte sich gegenüber den Reportern offensichtlich nicht zu Wort gemeldet. Ihre Aussage wurde lediglich von anderen zitiert.
Weil sie einen Schock erlitten hatte? Lorena fragte sich, ob die Polizei sie dennoch vernommen hatte. Vermutlich.
Lorena durchforstete das Internet nach Fotos und betrachtete die mehr oder weniger unscharfen Amateuraufnahmen mit einem wachsenden Gefühl der Unruhe. Was war es, das sie dabei übersah?
Mit einem Maunzen sprang Finley ihr auf den Schoß. Der Kater drehte sich einmal um die eigene Achse und ließ sich dann mit einem Seufzer der Zufriedenheit nieder. Er schloss die Augen und begann, sich genießerisch die Pfoten zu lecken.
Lorena hielt inne und klappte dann den Laptop mit einer energischen Bewegung zu.
»Was tue ich hier eigentlich?«, fragte sie sich laut.
Der Kater maunzte, so als habe sie von ihm eine Antwort verlangt.
Lorena schmunzelte. »Du meinst, ich solle meine Finger lieber in dein Fell versenken und dich ordentlich kraulen, nachdem ich dich den ganzen Tag allein gelassen habe?«
Wieder maunzte er, als wolle er ihr zustimmen.
»Na dann, aber nur wenn du mir erzählst, was du den ganzen Tag getrieben hast«, sagte sie, während sie dem Kater zärtlich das Fell zauste.
Finley schnurrte leise und drückte sich noch enger an sie.
»Sicher war dein Tag spannender als meiner«, fuhr sie mit ihren Selbstgesprächen fort. »Du bist durch die Hinterhöfe geschlichen, hast den Spatzen aufgelauert und vielleicht gar die eine oder andere Maus erbeutet?«
Sein Schnurren wurde lauter.
Lorena seufzte. »Weißt du, Finley, manches Mal wünschte ich mir, mein Leben wäre so einfach wie deines. Du musst dir keine Gedanken über deine Zukunft machen, und noch weniger quält dich deine Vergangenheit. Vermutlich weißt du nicht einmal, was Albträume sind. Du lebst einfach so in den Tag hinein und weißt, dass ich jeden Abend nach Hause komme und deine Schüsseln fülle.«
Der Kater sah sie mit seinen grünen Augen aufmerksam an, dann rekelte er sich und gähnte herzhaft. Das Thema war für ihn offensichtlich erledigt.
Kapitel 2
SCHATTEN DER NACHT
Es war kurz nach Mitternacht, als sie am Tor des Herrenhauses ankam. Sie landete außerhalb des weitläufigen Grundstücks, denn sie wusste, dass die Lady es gar nicht schätzte, wenn man irgendwo unvermittelt in ihrem Garten auftauchte. Nein, das würde ihre Guardians aufscheuchen, und das konnte sicher sehr unangenehm werden , dachte Raika, obgleich sie noch keinem begegnet war und nur eine vage Vorstellung von den Kämpferinnen hatte, die die Lady zu ihrem Schutz und so manch anderem Zweck rekrutierte. Denn die Lady verstand es, ihre Macht einzusetzen und sich genügend dienstbare Geister oder besser gesagt
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