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Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Titel: Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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jung war, wie seine drahtige Gestalt auf den ersten Blick vermuten ließ.
    »Hey, du bist tatsächlich gekommen!«
    Jasons Stimme riss sie aus ihrer Betrachtung. Er kam auf sie zu, begrüßte sie mit einem Kuss auf die Wange und sah so aus, als würde er sich wirklich freuen.
    Lorena erwiderte sein Lächeln. »Na klar, ich bin doch neugierig, was du so draufhast.«
    »Dann hoffe ich, dass es dir auch wirklich gefällt. Wir spielen bis zwölf und machen dann eine Pause, in der wir was zusammen essen können, wenn du magst. Danach geht es meist noch locker weiter.« Er grinste ein wenig schief. »Nach Mitternacht experimentieren wir gern. Das ist aber nicht mehr jedermanns Sache.«
    Er wartete keine Antwort ab, sondern machte auf dem Absatz kehrt, stieg auf die Bühne und nahm sein Saxofon zur Hand. Die Frau mit Rastalocken neben ihm griff zur Klarinette. Ein kleiner, kahlköpfiger Mann mit kaffeebrauner Haut setzte sich ans Schlagzeug.
    Als Letzter der bunten Truppe gesellte sich ein grauhaariger Mann mit üppigem Körperumfang zu ihnen, der Trompete spielte. Seine Haut war fast schwarz, und das Weiße um seine dunklen Augen schimmerte, als er sich aufmerksam im Raum umsah. Er war es auch, der die Musiker ankündigte und etwas über die ersten Stücke sagte, die sie spielen wollten. Etwas aus den frühen Zeiten des Jazz zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Lorena und die anderen Gäste lauschten den klagenden Klängen der Trompete, die mit einem Solo begann, ehe die anderen mit einsetzten.
    Das nächste Stück war zur Zeit der frühen Big Bands in den Zwanzigerjahren entstanden, als das Saxofon den Jazz eroberte. Für den heutigen Abend hatten die Musiker das Stück allerdings neu arrangiert.
    Lorena kam es bekannt vor, und sie merkte, wie sie sich entspannte und den Takt mit dem Fuß mittippte. Selbst der Wein schmeckte nicht mehr so herb.
    Dann gesellte sich noch eine junge Frau mit prächtigem, schwarzem Haar zu der Gruppe und begann zu singen. Ihre Stimme war erstaunlich tief und ein wenig rauchig.
    Lorena beobachtete Jason, der völlig versunken sein Saxofon umfasste und seinen Oberkörper im Takt wiegte. Jetzt gab es für ihn nur noch das Instrument und die Musik. Die Bar und die Zuhörer nahm er vermutlich nicht mehr wahr. Lorena gefiel es, wie er den Kopf leicht schräg hielt, den Blick irgendwo in die Ferne gerichtet. Er spielte das Stück nicht einfach, er lebte es mit seinem ganzen Körper, seinem Geist und seiner Seele.
    Ein Stück folgte aufs andere, und Lorena ließ sich vom Rhythmus und dem Klang der Instrumente gefangen nehmen. Sie konnte den Bass und das Schlagzeug tief in ihrem Innern spüren, während die Melodie der Klarinette ihre Seele umwand. Es entspann sich ein Wechselspiel mit der Sängerin, die Unterstützung in Jasons Saxofonstimme fand, dann setzte wieder die Trompete ein.
    Die Zeit verflog, und Lorena sah kein einziges Mal auf die Uhr. Sie trank einen Caipirinha. Der bittersüße Geschmack auf ihrer Zunge passte zur Musik. Plötzlich spürte sie, wie sie von einem Zittern erfasst wurde. Eine innere Unruhe rollte wie eine Welle heran und schwappte bis in die letzten Windungen ihres Geistes. Ihre Hand krampfte sich um das leere Caipirinhaglas, als wolle sie es zerbrechen. Schlagartig wurde ihr bewusst, wie viel Zeit verstrichen war. Viel zu viel Zeit!
    Mit zitternden Fingern zog sie ihren Geldbeutel aus der Handtasche und schob dem Barkeeper zehn Pfund hin. Sie wartete nicht ab, dass er ihr Wechselgeld gab, sondern stürzte ins Freie. Mit einem Keuchen sog sie die Nachtluft ein. Es fühlte sich an, als habe sie drinnen in der Bar stundenlang nicht geatmet. Lorena bückte sich und zog ihre roten Pumps aus. Die Schuhe in der einen, die Handtasche in der anderen Hand rannte sie los. Ein paar Passanten drehten sich verwundert um, doch sie achtete nicht auf die verwunderten Worte, die sie ihr nachriefen. Sie rannte einfach nur die Straße entlang, als hinge ihr Leben davon ab.
    Nun, vielleicht war es nicht ihr Leben, aber das eines anderen unschuldigen Menschen?
    Wie Schemen huschten die vertrauten Häuser an ihr vorbei, bis sie vor dem Schaufenster des kleinen Antiquitätenladens stehen blieb. Mit bebenden Händen mühte sie sich ab, den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Ihr Atem ging nun in kurzen Stößen, was nicht an ihrem schnellen Lauf lag, wie sie wusste. Lorena schob die Tür auf, wankte in den Flur und stieß die Wohnungstür wieder hinter sich zu. Dann schob sie den schweren

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