Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin
ihr Körper zu seinem natürlichen Aussehen zurückkehrte. Verschwitzt und erschöpft hinkte sie ins Bad. Erst jetzt merkte sie, dass ihre Füße schmerzten und an der Ferse eine Blase aufgeplatzt war. Mit einem Stöhnen stellte sie sich unter die Dusche und drehte das heiße Wasser an. Sollte sich Mr. Gordon wieder beschweren, dass sie so spät noch das Wasser laufen ließ und dann auch noch so lange! Das kümmerte sie in diesem Augenblick nicht. Sie genoss nur das heiße Wasser, das ihre Haut rot färbte. Es fühlte sich so an, als würde es all den Schmutz, der sich über Nacht ansammelte, von ihr abwaschen. Sie würde neu und sauber aus der Dusche hervortreten.
Dass dieses Gefühl nicht lange anhalten würde, wusste Lorena, doch jetzt musste sie ja nicht daran denken. In diesem Moment reichte es ihr, das Wasser über ihre Haut rinnen zu spüren und die Wärme zu genießen. Es war, als würden Hände sie liebkosen. Sie schloss die Augen und dachte an Jason. Wenn es doch seine Hände wären. Seine Arme, die sie an seine Brust drücken, sie die Nacht über halten und in Sicherheit in den Schlaf wiegen würden.
Als sich Lorena abtrocknete, hatte sie Tränen in den Augen. Was für ein schöner Traum. Schön, ja, doch eben nur ein Traum, unerreichbar für alle Zeiten.
Mit schweren Schritten schleppte sie sich ins Bett und zog die Decke bis über die Ohren. So lag sie zusammengekrümmt wie ein Embryo da und lauschte den Geräuschen der Nacht. Obwohl sie sich erschöpft und wie zerschlagen fühlte, wollte der Schlaf nicht kommen. Zu sehr ratterte das Gedankenkarussell in ihrem Kopf und quälte sie mit den immer gleichen Fragen.
Was ging mit ihr vor? Woher kam das, und warum traf es ausgerechnet sie? Gab es Rettung? Konnte sie etwas tun, dass dieser Albtraum endlich aufhörte? Sie wollte ein normales Leben führen. Ein ganz normales Leben wie alle anderen Menschen auch.
Es war ihr ein Trost, als sie das leise Tappen von Finleys Pfoten auf dem Parkett vernahm und sich dann sein warmer, weicher Katzenkörper in ihre Kniekehlen schmiegte. Endlich schlief sie ein, doch auch im Traum quälten sie Erinnerungen, die sie eigentlich vergessen glaubte.
Kapitel 3
POOLBILLARD
An diesem Morgen schlief sie noch länger als sonst, und ihre übliche Duschorgie dauerte fast eine halbe Stunde. Ihre Fußsohlen waren wund und brannten, und an den Fersen hatten ihre Pumps – wie erwartet – zwei dicke Blasen hinterlassen. Lorena verpflasterte sie sorgfältig und schlüpfte in ein Paar dicke, weiche Socken. So humpelte sie in die Küche, um Porridge zu kochen. Finley saß schon da und verfolgte jede ihrer Handbewegungen mit aufmerksamem Blick aus seinen grünen Augen.
Nachdem sie ihre Schale geleert und noch zwei Scheiben Toast mit Butter und Erdbeermarmelade gegessen hatte, nahm sie sich das Päckchen, das sie am Vortag in der Portobello Road gekauft hatte. Ganz vorsichtig wickelte sie das Seidenpapier ab, als halte sie einen wertvollen Schatz in den Händen. Und so kam es ihr auch wirklich vor, als sie fast zärtlich über das dunkelrote Leder strich.
Was sollte sie mit diesem Buch anfangen? Wozu hatte sie es gekauft? Lorena wusste es nicht. Ein wenig ratlos blätterte sie die leeren Seiten durch. Dann legte sie es wieder weg und verstaute es im Wohnzimmer in einer Schublade.
Und jetzt? Sie hatte den halben Sonntag noch vor sich. Lorena trat ans Fenster und sah hinaus. Dichte Regenwolken zogen über den Himmel, und dann prasselte es auch schon gegen die Scheiben. Das ungewöhnlich schöne Spätsommerwetter war vorüber. Jetzt übernahm wieder die typisch englische Witterung die Regie. Nein, nichts zog sie hinaus in den Regen, da war sie mit Finley einer Meinung. Der Kater machte es sich bereits auf dem Sofa bequem, und so nahm sich Lorena einen Krimi, den sie noch nicht gelesen hatte, und kuschelte sich zu Finley. Die Geschichte war nicht so fesselnd, wie sie es sich erhofft hatte, und das gleichförmige Prasseln des Regens tat das Übrige. Bald sanken ihre Lider herab, und das Buch rutschte ihr aus den Händen.
Den ganzen Nachmittag schlief sie. Sie bemerkte nicht, dass der Regen aufhörte und sich der Kater zu einem Spaziergang davonmachte. Als sie endlich hochschreckte, war es im Zimmer bereits dunkel. Ein wenig verwirrt rieb sie sich die Augen. Sie hatte geträumt. Verwirrende Dinge. Schreckliche Dinge. Sie waren ihr so real erschienen, doch jetzt konnte sie sich nur noch an unzusammenhängende Fetzen erinnern. Lediglich die
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