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Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Titel: Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Familie. Selbst wenn du dich mit ihr streitest, liebst du sie von ganzem Herzen.«
    Ich wand mich aus ihrer Umarmung. »Ach ja? Woher willst du das wissen? Sie hat doch genug Leute, die sie lieben, da brauche ich es nicht auch noch zu tun.«
    Ich wusste, dass ich ungerecht war, aber ich konnte nicht anders. Ich schleuderte die Puppe in eine Ecke, stürmte die Treppe hinunter und schlug meine Zimmertür so laut zu, wie ich konnte. Das Holz erzitterte in seinem Rahmen. Mein Vater hätte mir jetzt sicher eine Ohrfeige verpasst, aber er war ja wie immer nicht da. Ich warf mich aufs Bett und lauschte den Geräuschen von oben. Lucy lachte schon wieder. Mutter sprach freundlich mit ihr, während sie sie zum Schlafen fertig machte. Ich hörte oben im Bad Wasser rauschen.
    Wenn man noch so klein ist, dann ist das Leben einfach , dachte ich voller Neid. Irgendwann stand ich auf und schob das Fenster hoch. Es war dunkel draußen. Dichte Wolken verhüllten den Himmel. Kein Stern war zu sehen, und auch die schmale Sichel des scheidenden Mondes war irgendwo hinter den Wolken verborgen.
    Ich saugte die kühle Luft in meine Lungen und überließ mich der inneren Unruhe, die mich seit dem Winter immer überfiel, wenn Neumond nicht mehr fern war. Morgen oder übermorgen, ich wusste es nicht. War ja auch ohne Belang, jedenfalls hatte ich in jener Nacht Lust, mich zu verwandeln. Ich trat vor den Spiegel und betrachtete mein trauriges Bild.
    Nein!
    In dieser Nacht wollte ich strahlend schön sein. So schön, dass mir alle Menschen zu Füßen liegen würden. Jeder, der mich sah, würde bewundernd zu mir aufsehen und alles tun, um mir zu gefallen.
    Dachte ich zumindest. Ich hatte mich noch nicht allzu vielen Menschen in dieser Gestalt gezeigt. Doch die Jungs, die mich gesehen hatten, waren ganz vernarrt in mich gewesen.
    Lorena hielt inne und runzelte die Stirn.
    Lucy! – Wie habe ich meine Schwester vergessen können? Ist so etwas möglich? Plötzlich steht mir das kleine, blonde Mädchen wieder vor Augen. Sie muss etwa zehn Jahre jünger gewesen sein als ich selbst. Ein strahlendes Kind und so hübsch, dass alle ganz außer sich gerieten, wenn sie sie sahen.
    Lorena ließ das Bild ihrer Schwester in sich aufsteigen und spürte ihren Gefühlen nach. Hatte sie Lucy geliebt? Sie war sich nicht sicher. Sie musste sie geliebt haben, dennoch fand sie Gefühle von Eifersucht und Zorn. Wie hatte sie das kleine Mädchen so ablehnen können? Sie war die große Schwester gewesen, älter und vernünftig, und dennoch musste sie sich der traurigen Tatsache stellen, dass sie sie als Konkurrenz um die Aufmerksamkeit und die Liebe ihrer Eltern gesehen hatte. Sie war von Anfang an ihr kleiner Liebling gewesen und stand im Mittelpunkt. Sie musste nur mit ihren langen Wimpern klimpern, und schon schmolzen Mama und Papa dahin, und sie bekam alles, was sie wollte. Lorena dagegen sollte immer die Vernünftige sein. Sie war ja schon groß. Und wenn Mama und Papa ausgehen wollten, dann musste sie auf Lucy aufpassen, egal, ob sie sich bereits mit einer Freundin verabredet hatte oder nicht. Nur Großmutter war ihre Verbündete gewesen. Eine warme Woge stieg in ihr auf, als sie an sie dachte. Sie hatte Lorena zugehört und sie verstanden, und sie hatte Lorena nach Mamas Tod nie mit diesem anklagenden Blick angesehen, obwohl Mama ihre Tochter gewesen war. Vermutlich war sie auch die Einzige gewesen, die ihr geglaubt hatte, dass sie sich wirklich nicht mehr daran erinnern konnte, was in dieser Nacht vorgefallen war. Und in jener Nacht ein halbes Jahr zuvor. Nein, das war jetzt nicht das Thema. Das würde sofort wieder zu dem vernichtenden Schmerz führen. Sie waren gerade bei einer anderen Nacht gewesen, die vielleicht besser verlaufen war.
    Hastig griff Lorena wieder zu ihrem Füller und beugte sich über den Absatz. Sie las die letzten Zeilen noch einmal durch und fuhr dann fort …

    Ich machte mich auf den Weg zur Turnhalle. Ich wusste, dass die Jungs dort noch Handballtraining hatten. Ich wollte Sören ein wenig zusehen. Er war fünfzehn und ging zwei Klassen über mir aufs Gymnasium. Er war ein total cooler Typ, sah gut aus und war super sportlich. Ich schwärmte schon eine ganze Weile für ihn und malte mir aus, wie es wäre, von diesen Armen gehalten zu werden. Ob er gut küssen konnte? Bestimmt! Ich träumte oft davon.
    Er kam auf mich zu, lächelte und machte mir Komplimente, dann nahm er mich an der Hand. Wir gingen zusammen vom Schulhof, und ich konnte

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