Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Titel: Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
die neidischen Blicke aller Mädchen in meinem Rücken spüren. Und dann, kaum waren wir um die Ecke verschwunden, zog er mich an sich und umschloss mich mit seinen starken Armen, dass mir fast die Luft wegblieb. Er küsste mich. Erst ganz zärtlich auf die Lippen und dann stürmischer und mit offenem Mund. Der Gedanke ließ mich schaudern.
    Und während ich so vor mich hin träumte, machte ich mich auf den Weg. Ich ging an diesem Abend zu Fuß, da ich eine schicke Jacke trug und daher meine Flügel nicht entfalten konnte, aber es war nicht weit bis zur Turnhalle. Ich schlich mich hinein und setzte mich ganz oben im Dunkeln auf die Tribüne, sodass die Spieler und anderen Zuschauer mich nicht sehen konnten. Und dennoch drehten sich immer wieder einige nach mir um und tasteten mit ihrem Blick suchend die Schatten entlang, ohne mich wirklich wahrzunehmen. Auch Sören hielt für einige Augenblicke in seinem Spiel inne und schien mir direkt in die Augen zu sehen, doch dann wandte er sich ab, wirbelte herum und fing mit einem mächtigen Sprung den Ball aus der Luft. Er rannte auf das Tor zu, die Zuschauer johlten. Er warf und traf. Tor!
    Ich konnte mich gerade noch zurückhalten, laut zu jubeln.
    Du bist unschlagbar, Sören, dachte ich. Wir würden ganz wunderbar zusammenpassen. Du gehörst mir. Sieh mich an!
    Es war, als würde ihn mein lautloser Ruf erreichen. Wie von einer starken Macht gehalten, stoppte er seinen Lauf. Er war schon wieder im Besitz des Balls, doch nun war er so abgelenkt, dass er ihn sich von seinem Gegner aus der Hand nehmen ließ. Selbst als dieser auf das Tor zulief und seine Mitspieler und die Zuschauer aufschrien, reagierte er nicht. Erst als ich ihn im Stillen anfeuerte: Hol dir den Ball, Sören! Tu es für mich. Lauf, wie du noch nie in deinem Leben gelaufen bist!
    Da sprintete er los. Es war geradezu überirdisch, und ich konnte die Augen nicht von ihm lassen. Er gab alles, als würde sein Leben davon abhängen. Er lief für mich. Nur für mich allein. Es war ein seltsames Gefühl, das in mir aufstieg. Ich wurde mir zum ersten Mal meiner Macht bewusst. Ich fühlte mich ein wenig wie eine Göttin. Herrin über Sieg oder Niederlage.
    Schnapp dir den Ball, und jetzt wirf!
    Sören hechtete in einem weiten Satz vor, sein Arm griff nach dem Ball und stieß ihn mit letzter Kraft ins Tor.
    Die anderen jubelten, während Sören den Schwung nicht mehr abfangen konnte und sich auf dem harten Boden zweimal überschlug. Mit schmerzverzerrtem Gesicht blieb er liegen, doch ich spürte immer noch das Hochgefühl des Sieges in Wellen durch meinen Körper strömen. Es war mein Tor. Mein Held hatte es für mich geworfen. Ich war die Herrin über Sieg oder Niederlage. Herrscherin über Leben und Tod. Ein Schauder rann mir über den Rücken. Er war angenehm und schrecklich zugleich.
    Sören lag noch immer auf dem Boden. Der Trainer pfiff das Spiel ab. Seine Kameraden liefen zu ihm und knieten neben ihm nieder. Der Trainer betastete Sörens Knie und machte ein ernstes Gesicht. Er zog sein Handy heraus, und ich ahnte, dass er einen Krankenwagen rief. Vielleicht hatte sich Sören die Bänder gerissen? Das war bei so einem Spiel immer drin.
    Doch war das hier ein normaler Sportunfall gewesen? Wäre ihm der Sturz auch passiert, wenn ich nicht gekommen wäre? Wenn ich nicht alles von ihm verlangt hätte?
    Bildete ich mir da etwas ein, oder lag das wirklich in meiner Macht? Ich betrachtete meine Hände, so als würde ich sein Blut an ihnen spüren.
    Blödsinn! Er blutete ja gar nicht. Oder nur ein ganz klein wenig an einer Schürfwunde am Ellbogen und einer an seinem verletzten Knie, das er nun vergeblich zu belasten versuchte. Mit einem Stöhnen knickte er ein. Zwei seiner Mitspieler schoben ihre Arme unter die seinen, hoben ihn hoch und schleppten ihn zu einem Mattenstapel, auf dem er kraftlos niedersank.
    Macht. Das Hochgefühl fiel wie ausgeglühte Asche in sich zusammen. War es mir gegeben, so viel Macht über andere Menschen auszuüben? Ich konnte es kaum glauben, und doch flüsterte eine Stimme mir zu, dass dies mein Werk war. Ein Werk der Zerstörung. Das hatte ich nicht gewollt!
    Nein?
    Nein!
    Was war Macht? Konnte sie überhaupt gut sein? Oder war sie nicht immer ein wenig zerstörerisch? Konnte sie nur belohnen und Freude bringen, oder war das Ausüben von Macht nicht immer auch mit Zwang, Furcht und Strafe verbunden?
    Ich war verwirrt.
    Draußen fuhr ein Auto vor. Zwei Sanitäter mit einer Trage kamen in die

Weitere Kostenlose Bücher