Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
Deswegen das ganze Theater? Gut! Ich gelobe hiermit hoch und heilig, meinen Gaul nie wieder grob anzufassen. Ich hab die Lektion verstanden. Kann ich jetzt gehen?«
»Sie haben mich leider missverstanden, Herr Molitz. Es geht uns nicht um das Pferd, auch wenn mir Ihre Züchtigungen nicht gefallen. Es geht uns um den Gegenstand, mit dem Sie das Tier geschlagen haben.«
»Was?!«
»Das Schlauchstück«, erinnerte ihn Dr. Grede.
Molitz war verwirrt, was verständlich war, wenn er mit dem Tod des Mädchens nichts zu tun hatte. Doch davon war Judith Brunner noch nicht überzeugt. »Gehört das Ihnen?« Sie legte das Ding vor ihn auf den Tisch.
»Ja, verdammt! Was ist damit?«
»Wo haben Sie das her?«
»Wo ich das herhabe? Keine Ahnung!« Fieberhaft überlegte Molitz. »Das Teil war schon immer im Stall; hat mein Vater schon benutzt. Die anderen auch.«
Andere? Nun war Judith Brunner gespannt. »Benutzt? Wofür?«
»Solche Schläuche nehmen wir für die Medizin.«
»Können Sie das erläutern?«, bat Judith Brunner, die keine Ahnung hatte, was Molitz meinte.
Dr. Grede schien etwas zu ahnen und nickte verstehend.
»Wenn das Vieh krank ist, führt man die Medizin so ein«, sagte Molitz. »Mit diesen festen Schläuchen. Früher hatte ich noch mehr solche Stücke auf meinem Hof rumliegen. Aber das Viehzeug hat sie alle zerbissen und die neuen Dinger können Sie gleich vergessen ... Sie sind ein Stadtmensch, stimmt’s?« Er klang wieder etwas ruhiger, so, als würde ihre Herkunft die Unbill seiner letzten Stunden, wenn schon nicht entschuldigen, dann doch wenigstens erklären.
An dieser Stelle konnte Judith Brunner nicht anders als nicken. Wenn das wirklich eine übliche Methode war, krankem Vieh Medikamente einzuflößen – und warum sollte das nicht stimmen –, waren derartige Stücke von Gummischläuchen sicher weitaus häufiger aufzufinden, als ihnen bei diesen Ermittlungen recht sein konnte.
Nun, hiermit kam sie vorerst nicht voran. »Wo waren Sie am Sonnabendnachmittag?«, fragte sie unvermittelt.
Molitz überlegte und wurde blass. Natürlich hatte sich auch in Jemmeritz herumgesprochen, was geschehen war. »Ne, ne, det könn Se mir nich’ anhängen. Ich bin doch nicht so einer!« Wenig später gewann er die Kontrolle zurück, da er sich an den Nachmittag erinnerte. »Das hab ich gar nicht nötig! Ich war in Klötze auf’m Platz. Bin Schiedsrichter in der Kreisliga. Fußball! Wir hatten sogar Zuschauer. Könnse alle fragen.«
»Und nach dem Spiel?«, hakte Dr. Grede emotionslos nach, wohl wissend, dass die Nachmittagsspiele in dieser Spielklasse kurz vor fünf zu Ende gingen.
»Im Sportlerheim, wie immer.« Überzeugt, ein wasserdichtes Alibi vorzuweisen, fragte Molitz triumphierend: »Darf ich jetzt nach Hause?«
Judith Brunner blieb vorerst nichts anderes übrig, als ihn gehen zu lassen. Sie bedankte sich bei Otto Molitz für seine Geduld und informierte ihn über die durchgeführten Untersuchungen. »Wir werden Ihre Angaben natürlich überprüfen. Fürs Erste können Sie nach Hause fahren. Verreisen Sie aber bitte nicht. Mein Kollege bringt Sie zum Ausgang.«
Kaum hatten die Männer den Raum verlassen, stürzte Walter hinein und rief Judith aufgeregt entgegen: »Wir müssen sofort ins Krankenhaus. Der Mirow ist überfallen worden. Die Ärzte wissen nicht, ob er durchkommt.«
~ 36 ~
Laura war allein zu Hause. Walter hatte sie bereits vor einiger Zeit angerufen und mitgeteilt, dass Judith und er heute bis in die Nacht zu tun haben würden. Ihr war es recht. So konnte sie den ganzen Abend weiter an ihren Inschriften knobeln.
Die Wärme des Tages wich nur zögerlich. Laura öffnete alle Fenster und die Tür zum Garten ihres Hauses. Eine laue Brise machte die Luft etwas erträglicher. Wilhelmina nutzte die Freizügigkeit und wechselte ständig zwischen drinnen und draußen, wobei sie immer mal wieder einen neuen Weg probierte. Laura hatte geduscht, sich etwas Luftiges angezogen und einen Happen gegessen.
Der Sonnenuntergang zeigte sich in rotgoldenem Licht. Den schönen Abend wollte Laura unbedingt auf ihrem Hof verbringen und fing an, alles Nötige herauszuräumen. Eine kuschelige Decke für spätere, kühlere Stunden wurde sofort von Wilhelmina beschnuppert. Bequeme Kissen für die Bank, zwei Windlichter, ein Weinglas, eine Schale mit frischen Erdbeeren aus Tante Irmgards Garten – alles war da. Ach ja, die Fotos! Laura schnappte sich ein paar der flachen Kartons und trug sie
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