Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
zusammen mit Stift und Papier nach draußen. Da ihr nach wie vor der rechte Arm bis hoch zur Schulter wehtat und sie nur mit einer Hand richtig zugreifen konnte, dauerte alles etwas länger. Nach dem Duschen hatte Laura zum ersten Mal versucht, ohne Verband auszukommen. Unzufrieden betrachtete sie ihre Verletzungen. Wilhelmina, die sich neben ihr auf der Bank gemütlich zusammengerollt hatte, begann tröstend zu schnurren. Laura griff ihr dankbar in das weiche Fell und kraulte sie sanft hinter den Ohren.
Laura ahnte, anders als Wilhelmina, nichts von ihrem Beobachter. Der Katze war er schon längst bei einem ihrer Kontrollgänge aufgefallen. Beruhigt hatte sie sich – nach intensivem Reiben am Hosenbein des Mannes – vom Holzschuppen wieder in Richtung ihres Ruheplatzes begeben.
Er weilte in seinem Versteck und wartete ungeduldig auf die nächtlichen Schatten. Vorher war das Risiko zu groß, gesehen zu werden. Er verfolgte wachsam alles, was geschah, hörte amüsiert zu, wie Laura ab und zu mit der Katze sprach, sah durch das Fenster, wie sie ungeschickt mit einem großen Papierbogen und einem Buch am Küchentisch kämpfte und es schließlich herzhaft fluchend aufgab. Als sie wenig später nackt aus dem Bad gekommen war und in ihrem Schlafzimmer selbstvergessen ihren feuchten Körper überall sorgfältig eincremte, hatten seine Pläne für die Nacht sehr konkrete Formen angenommen.
Im Moment betrachtete Laura Fotos und legte ab und zu eines beiseite. Bestimmt sortierte sie die unscharfen oder ihr sonst nicht brauchbar erscheinenden Abzüge heraus. Man sah ihr an, dass sie liebte, was sie tat. Öfter geriet sie ins Schwärmen, wenn sie ihm von ihrer Arbeit erzählte. Das gefiel ihm so an ihr. Sie konnte sich einer Sache mit Haut und Haar verschreiben. Ihre Augen leuchteten, ihre Wangen waren leicht gerötet und sie hatte keine Ahnung, wie verführerisch sie in den knappen Shorts und der weißen, tief ausgeschnittenen Bluse mit lauter winzigen, umstickten Löchern aussah, braun gebrannt und die Haare zu einem lockeren Zopf gebunden. Er beobachtete, wie sie sich ein Glas Wein eingoss, einen Schluck nahm und sich dann ganz entspannt in die Kissen auf der Bank zurücklehnte und zufrieden seufzte. Lange würde er das Zusehen nicht mehr aushalten.
Sie war genau die Frau, nach der er sein Leben lang gesucht hatte. Bis heute konnte er es sich nicht erklären, woher er das gewusst hatte, doch in dem Moment, als er sie damals in Berlin sah, beschlossen sein Herz und, wie er sich grinsend erinnerte, auch andere Körperteile, sie für sich zu gewinnen. Lauras Körper und ihre emotionale Seite hatten ihm sofort vertraut, nur ihr Verstand zögerte und es hatte eine Weile gedauert, bis sie sich ihm vollkommen hingeben konnte. Seit er ihr erzählt hatte, womit er sein Geld verdiente, kam sie selbst mit den langen Trennungszeiten besser zurecht und auch damit, nicht zu wissen, in welchem Winkel der Welt er gerade steckte. Sie war treu, unabhängig und stark. Wie sehr er diese Frau liebte!
Ein Windlicht verlosch und Laura ging ins Haus, um eine neue Kerze zu holen. Das war seine Chance. Er verließ den Holzschuppen, überquerte den kleinen Hof mit ein paar lautlosen Schritten und blies rasch das andere Windlicht auch noch aus. Dann lehnte er sich an die Wand und wartete, unsichtbar im Schwarz des Hausschattens.
Laura löschte das Licht in der Küche und trat wieder in ihren Hof. Sie wunderte sich nur einen Wimpernschlag lang über die unerwartete Dunkelheit, dann spürte sie ihn dicht hinter sich stehen. Sie genoss den Duft und spürte schon die Wärme dieses Mannes, der ihren Körper blitzartig in Hochstimmung versetzte. Ihr Herz klopfte rasend schnell, ihr wurde glühend heiß und ihre Haut begann zu prickeln.
Mit einer blitzschnellen Bewegung drehte er sie in seine Arme, drückte sie an sich und küsste sie ungestüm. Für eine sanftere Begrüßung fehlte ihm im Moment der Sinn.
Als er Laura nach einer Ewigkeit wieder etwas Luft schnappen ließ, hatte sie Mühe, die Tränen wegzublinzeln, die ihr vor Wonne und Glückseligkeit in die Augen gestiegen waren. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
»Die Formulierung, die du suchst, ist: ›Ich liebe dich!‹«, half er ihr, mit den Lippen über ihren Mund streichend.
Laura stöhnte vor Glück und musste leise über ihn lachen. »Stimmt. Jetzt fällt’s mir auch wieder ein.« Sie drängte sich dichter an ihn und küsste ihn mit unverhohlener Leidenschaft.
Als sie sich
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