Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
Frauen beiseite und erklärte ihnen, warum er mit dem Mann hergekommen war. »Sein Auto steht hier gleich um die Ecke«, schloss er leise seinen Bericht.
»Endlich ein Verdächtiger!«, zischte Lisa erleichtert.
Auch Judiths Stimmung besserte sich zusehends. »Gut. Lisa, Sie bringen den Mann hoch in unseren Vernehmungsraum. Bieten Sie ihm etwas zu trinken an. Er wird sich auf einen längeren Aufenthalt einrichten müssen. Sagen Sie ihm, er soll aufschreiben, wie er mit seinen Tieren umgeht und so weiter ... Ich kümmere mich in der Zwischenzeit um die Durchsuchungen.«
»Und ich sollte unverzüglich Margarete Boll erreichen«, fiel es Walter Dreyer reichlich spät ein. »Sie wartet sicher schon auf eine Nachricht.«
»Sie können mein Telefon benutzen«, bot Lisa an, »ich versorge erst einmal diesen Mann.« Sie verschwand mit Otto Molitz die Treppe rauf.
Wachtmeister Stein hatte die ganze Zeit versucht, unauffällig mitzuhören. Deswegen wies Judith, die das sehr wohl mitbekommen hatte, Walter in offiziellem Tonfall an, im Büro von Lisa Lenz zu warten. »Ich habe in der Spurensicherung zu tun«, sagte sie laut, damit auch Stein informiert war. Dann fiel ihr ein, dass Walter jetzt kein Fahrzeug mehr hatte und der letzte Bus über die Dörfer schon längst weg war. »Außerdem müssen Sie warten, bis wir mit diesem Mann fertig sind. Vorher können wir nicht entscheiden, ob Sie mit ihm zurückfahren können oder ich Sie mitnehmen muss.«
»Zu Befehl«, bestätigte Walter, verstohlen grinsend.
Judith Brunner erledigte die nötigen Telefonate und besprach in Dr. Gredes Büro die Durchsuchung des Autos und des Bauernhofes von Molitz. Da es sich um den brutalen Kindsmord handelte, hatte sie ohne Probleme die Erlaubnis der Staatsanwaltschaft bekommen.
Sie ging zurück in ihr Büro. Im Vorbeigehen sah sie Walter einträchtig mit Lisa sitzen und plaudern, wobei er mit Kaffee und selbst gebackenen Keksen verwöhnt wurde. Sie blieb kurz stehen.
Lisa kannte den Waldauer Ortspolizisten, auf den ihre Chefin große Stücke hielt. Das genügte, um auch Lisa für ihn einzunehmen. Außerdem kannte sie Walter Dreyer von früheren Ermittlungen, bei denen er sie stets fair und mit vollem Respekt behandelt hatte. Nie ließ er sie den Alters- und Erfahrungsunterschied spüren. Für ihn war sie nie nur die Tippse der Chefin. Das gefiel Lisa.
»Ich hab vielleicht einen Schreck bekommen, als er den Schlauch schwenkte!«, gab Walter, inzwischen etwas gelassener geworden, gerade zu. »In dem Moment wusste ich gar nicht, was ich zuerst machen sollte. Eigentlich war ich ja auf der Suche nach Mario Boll. Aber einen Mann mit so ’nem Schlauchstück konnte ich nicht einfach laufen lassen.«
»Hat doch prima geklappt«, befand Lisa und schenkte ihm nach. »Möchten Sie auch einen Kaffee?«, bot sie Judith an. Sie hatte vorausschauenderweise schon eine Tasse bereitgestellt.
»Gern.«
»Der Molitz stammt übrigens aus Jemmeritz«, bemerkte Walter. »Da bin ich doch gestern erst gewesen, um mit dem jungen Mann zu reden.«
Judith nickte. »Ich erinnere mich gut an seine Aussage. Er hatte einen Fremden beobachtet. Könnte das dieser Molitz gewesen sein?«
»Nein, auf keinen Fall. Leute aus einem so winzigen Nest kennen sich«, gab Walter zu bedenken, »doch dass bei einem aus Jemmeritz genau so ein altes Schlauchstück auftaucht, sollte unsere Aufmerksamkeit schon auf die paar Höfe lenken.«
Nachdem Walter ausgetrunken hatte, sah er bei seinem Kumpel Thomas Ritter im Labor vorbei. Der wartete wie auf Kohlen darauf, sich Molitz’ Auto widmen zu können. Die Kollegen hatten Schwierigkeiten beim Abschleppen bekommen, da das Auto beidseitig zugeparkt worden war. Jetzt versuchten sie, wenigstens einen der Fahrzeughalter zu finden. Ritter hatte sie schon angewiesen, ihm notfalls erst einmal nur das Schlauchstück zu bringen.
Walter gestand sich im Stillen ein, dass er an so ein Problem nicht gedacht hatte, als er Molitz vorhin anwies, einfach auf die Bordsteinkante zu fahren.
Judith nutzte die Zeit, bis erste Ergebnisse der Spurensicherung vorlägen, für das unvermeidliche Gespräch mit Ingo Grille. Die Personalabteilung hatte ihr signalisiert, dass neben einem strengen Verweis bestenfalls noch eine Versetzung infrage käme. Auf eine unehrenhafte Entlassung wollte man es lieber nicht ankommen lassen. Er war immerhin fast zwanzig Jahre dabei und bisher stand nur wenig Negatives in seiner Personalakte. Außerdem wies man sie darauf
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