Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
etwas lösen wollte, blitzten seine Augen feurig, seine Arme umschlossen sie noch fester. Sein Verlangen kannte keine Geduld mehr. »Ich weiß, dass du nichts darunter trägst«, kam er zum Thema, während sein Blick sie bannte. Er klang irgendwie heiser.
»Ich kann meine Hand nicht richtig benutzen«, machte Laura ihn beiläufig aufmerksam.
Das würde er sich drinnen genauer ansehen müssen. Schon hatte er seinen Grund, warum sie nicht hier draußen bleiben konnten und zog sie ins Haus. »Keine Bange, die brauchen wir nicht zwingend. Gerade fällt mir etwas ein, was wir da anstellen können. Genieße es einfach.« Und seine Stimme entführte sie ins Paradies.
Dienstag
~ 37 ~
Immer noch todmüde, war Walter felsenfest entschlossen gewesen, sein Bett in diesem Leben nie wieder zu verlassen. Die Nacht war viel zu kurz. Erst die zermürbende Warterei auf das Ende der Vernehmung von Molitz und dann der Aufenthalt im Krankenhaus.
Lothar Mirow war abscheulich zugerichtet worden. Hatte man ihm gedroht, ihn aufzuhängen? Oder schlimmer noch, hatte man es sogar geschafft? Wann und ob der junge Mann das Bewusstsein wiedererlangen würde, wagten die Ärzte nicht zu sagen. Nach einer kurzen Absprache mit Grambow hatten Judith und Walter gegen halb zwei beschlossen, nach Hause zu fahren. Hier im Krankenhaus konnten sie sowieso nichts mehr tun. Der junge Polizist wollte vor Ort bleiben.
Wie zerschlagen waren sie ins Bett gefallen. Seine Kraft hatte gerade noch gereicht, Judith an seine Brust zu ziehen und einen Arm um sie zu legen. Durch die dramatischen Ereignisse aufgeputscht, hatten sie nur schwer einschlafen können.
Judith musste sich in aller Frühe wieder fortgeschlichen haben.
Nur dumm, dass Walter bei seiner gestrigen Absage Laura leichtsinnigerweise versprochen hatte, heute – gleich morgens früh – mit ihr zur Schäferei zu gehen. Natürlich hielt sie sich an den Plan und war mit frischen Brötchen – immerhin musste er die nicht auch noch holen – zum Frühstück bei ihm aufgetaucht.
Nach einem kurzen Abstecher ins Bad war Walter sich nicht mehr so sicher, ob Aufstehen wirklich eine gute Idee gewesen war. Ein Blick in den Spiegel hatte ihm bestätigt, dass er nach einer schlaflosen Nacht eigentlich nicht unter Menschen gehörte. Schließlich war er keine zwanzig mehr. Er saß nun also an seinem Küchentisch und versuchte, mit der zweiten Tasse Kaffee wach zu werden, fühlte sich jedoch bestenfalls dösig.
Laura hingegen war irgendwie aufgekratzt. Ihr Gesicht leuchtete und sie strotzte vor Unternehmungslust. Wie durch ein Wunder schien ihre Hand kaum noch Beschwerden zu verursachen. Sie plapperte ihm, ohne dass er darauf achtete, schon seit Minuten was über die Balkeninschriften vor. »Ich bin schon mächtig gespannt. Weißt du eigentlich, dass so eine Inschrift über einer Scheune, wie bei der Schäferei, etwas ganz Seltenes ist? Nur auf manchen Höfen sind die Balken über den Stalleingängen beschriftet worden. Achtest du bitte mal drauf, ob dir so etwas noch woanders auffällt, wenn du unterwegs bist? Ich finde das ganze Thema der Balkeninschriften mittlerweile extrem interessant – vielleicht schreibe ich einen Aufsatz darüber. Da würden welche zum Viehzeug hervorragend passen. Walter? Hörst du mir überhaupt zu?«
»Ställe. Aufsatz.« Das waren außer einem »Guten Morgen« die ersten beiden Worte, die er heute sprach. Wenn es nach ihm ginge, würden keine weiteren hinzukommen. Über Nacht hatte es sich kaum abgekühlt und es war schon am Morgen unerträglich heiß. Er lächelte wehmütig und dachte an sein schönes Bett.
Laura nahm die knappe Reaktion jedenfalls als ausreichendes Zeichen seines Interesses, und ohne Erbarmen kündigte sie an: »Ich hole dich in zehn Minuten ab.« Nach einem abwägenden Blick auf ihn korrigierte sie: »In zwanzig. Vielleicht schaffst du es ja noch unter die Dusche.«
Mario Bolls Abenteuer war zum Glück gut ausgegangen. Als Walter und Laura auf den Hof der Schäferei kamen, tollte der Junge mit Milla herum. Walter spürte dennoch ein Ziehen in der Brust, als er die beiden so unbeschwert miteinander spielen sah. Judith hatte ihn gebeten zu erfragen, was mit dem Kadaver von Melli geschehen solle. Walter befürchtete sicher nicht zu unrecht, dass Rudolf Boll wenig sensibel reagieren würde, wenn er das Thema ansprach.
Seine Sorge war unbegründet. Boll war gar nicht auf dem Hof und seine Schwester entschied nach einem langen, kummervollen Blick
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