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Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Titel: Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Schroll
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Sechzigern stammende Schrankfurnier war an vielen Stellen beschädigt oder gar ganz abgeplatzt. Zerbeulte Blechtöpfe auf dem Herd und zerschlissene Handtücher an einem Wandbord ließen auf einen sehr langen Gebrauch schließen. Das Linoleum auf dem Fußboden war brüchig und wies bereits Löcher auf.
    »Er benutzt immer noch die Sachen seiner Großeltern«, informierte Grambow. »Die sind vor ein paar Jahren kurz nacheinander verstorben.«
    »In den anderen Zimmern sieht es auch nicht besser aus, kommen Sie«, lud Ritter zu einem Rundgang ein. In der Tat schien Lothar Mirow nach dem Tod seiner Großeltern keinerlei Neuanschaffungen getätigt zu haben; von einer Renovierung oder wenigstens einer Umdekoration der Räume war auch nichts zu erkennen.
    Grambow und Judith Brunner sahen sich betroffen um. Diese bittere Armut war schwer zu ertragen.
    Ritter wandte sich an seine Chefin: »Gut, dass wir uns hier treffen, ich habe nämlich schon erste Ergebnisse, das Seil betreffend. Ich habe es mir gleich besorgt. Mit allen Untersuchungen bin ich zwar noch nicht fertig, aber«, er machte eine dramatische Pause, »damit wurde der Mann auf keinen Fall aufgehängt. Viel zu dünn, ganz miese Qualität und schon ziemlich mürbe. Das wäre sofort gerissen. Der Knoten ist auch nicht zum Strangulieren geeignet. Ist bloß ein einfacher Doppelknoten. Also, um es kurz zu machen, wirklich aufknüpfen wollte den damit niemand.«
    »Was sollte der Strick denn dann?«, mischte sich Grambow in das Gespräch.
    Judith Brunner, die sich an das jammervolle Bild, das der Verletzte im Krankenhaus abgegeben hatte, erinnerte, beschlich ein furchtbarer Verdacht. »Den hat man Lothar Mirow umgelegt, um ihm Angst zu machen. Nicht nur einfach zu drohen. Man wollte ihn in Todesangst versetzen!«
    Grambow ächzte. »Meine Güte! Ich hatte wirklich nicht gedacht, dass es mal so weit kommt. Vielleicht hätte ich öfter nach ihm sehen sollen.« Man sah, dass er sich maßlose Vorwürfe machte.
    »Dadurch hätten Sie das auch nicht verhindern können. Bestimmt nicht. Die Typen hätten eine andere Gelegenheit gefunden. Sie können nicht rund um die Uhr auf jeden aufpassen.« Ritter klopfte dem Mann einige Male mitfühlend auf die Schultern und erntete einen dankbaren Blick von Judith Brunner.
    »Überlegen Sie doch mal, wer Ihnen auf Anhieb einfällt, wenn Sie an diese Tat denken«, forderte sie Grambow auf, damit dem gar keine Zeit für Schuldgefühle blieb.
    »Das mach ich schon seit gestern Abend. Den Mirow hatten einige ständig auf dem Kieker!«
    »Und wer ganz besonders?«, fragte Judith Brunner nach.
    »Na, hier in Engersen der Steffen Geiger, der hackt mit Vorliebe auf Schwächeren rum. Fühlt sich gern überlegen. Und dann der Achim Heppner, ein ziemliches Großmaul, dem die Fäuste recht locker sitzen. Mit dem bin ich zur Schule gegangen. Der war schon damals ein Angeber; es wird immer unerträglicher mit ihm ... Ich glaube, die beiden spielen auch im Fußballklub zusammen.«
    »Und weiter?«
    »Walter Dreyer hat auch einen Kandidaten. Diesen Schäfer. Der hat ihm am Sonntag schon gedroht.«
    Judith Brunner erinnerte sich ebenfalls an Rudolf Boll. »Großartig. Fangen wir mit denen an. Ich will die drei heute noch in meiner Dienststelle haben. Befragen wir die Kerle. Wenn Ihnen noch mehr einfallen, dann die auch. Hören Sie sich im Dorf um. Wer ein Alibi hat, ist raus. Wer nicht, für den wird es ungemütlich, und zwar sehr.«
    Grambow nickte und machte sich auf den Weg.
     
Die Hitze flimmerte unbarmherzig über der Straße, als Judith sich auf den Weg nach Gardelegen machte. Die erbarmungslos scheinende Sonne ließ auf der völlig leeren Landstraße weit vor ihrem Auto glänzende Pfützen im Asphalt erscheinen. Über einem bereits abgeernteten Getreidefeld herrschte eine so gleißende Helligkeit, dass Judith eine Fata Morgana nicht mehr für ausgeschlossen hielt. Sie hatte das Seitenfenster runtergekurbelt und der Fahrtwind verschaffte ihr wenigstens die Illusion einer kühleren Brise. Sie hoffte, dadurch etwas wacher zu werden.
    Sie musste sich in Form bringen. Schneller denken, denn sie stand vor ihrer gewaltigsten Herausforderung: Ein Sexualmord an einem Kind. Eine Scheinhinrichtung an einem Wehrlosen. Ein zynischer Tierquäler. Womöglich eine Diebesbande, die in der Gegend operierte. Schlimmer konnte es kaum noch kommen.
     
 
    ~ 40 ~
     
Lisa Lenz saß seit Stunden am großen Tisch im Besprechungsraum und las. Es war kaum jemand im Haus;

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