Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Titel: Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Schroll
Vom Netzwerk:
alle waren in den umliegenden Dörfern unterwegs. Diese Ruhe wollte sie nutzen. Mehr als achtzig Befragungsprotokolle lagen vor ihr, geordnet nach den Wohnorten der Zeugen und nach Beobachtungszeitraum durchnummeriert. Sie hatte bereits jedes einzelne gelesen, sobald es auf ihrem Schreibtisch gelandet war, Wort für Wort. Und nun las sie sie nochmals in geordneter Reihenfolge. Im Prinzip war an jede Haustür von Engersen und der umliegenden Dörfer geklopft worden. Entsprechende Listen der Meldestelle mit den abgehakten Adressen lagen zum Vergleich vor. Natürlich wussten nicht alle Befragten etwas Hilfreiches mitzuteilen. Die meisten hatten sich lediglich im Haus oder auf ihrem Gehöft aufgehalten und sich um Vieh oder Garten gekümmert. Manche waren zu alt oder zu krank, um noch vor die Tür zu gehen, und andere interessierten sich angeblich für nichts, was sich vor ihrer Tür abspielte. Einige waren auch verreist. Offiziell war die Aktion nun abgeschlossen; wenige Nachholtermine waren vermerkt.
    Die Befragung der Kraftfahrer von Bussen, Tankwagen oder LKW hatte keinen einzigen brauchbaren Hinweis ergeben, es sei denn, man wollte diese Tatsache als eigenständiges Indiz werten.
    Die Protokolle waren zum Teil von unerfahrenen Polizisten geschrieben worden, deren Handschriften und Formulierungen Lisa vor gewisse Herausforderungen gestellt hatten. Doch nun war es geschafft!
    Sie reckte sich wohlig, trank den letzten Schluck Kaffee und überlegte, wie sie diese Unmengen an Informationen brauchbar auswerten konnte. Allen Berichten gemein waren Angaben zu Personen oder Fahrzeugen, die an ganz bestimmten Orten gesehen worden waren. Die genannten Uhrzeiten zu den jeweiligen Begegnungen oder Beobachtungen waren meistens nur geschätzt.
    Nichtsdestotrotz wollte Lisa alle Beobachtungen des Sonnabends, egal, zu welcher Uhrzeit sie genau gemacht worden waren, in ihre Analyse einbeziehen. Ilona Eichner war am späten Nachmittag, zwischen halb fünf und halb sechs, ermordet worden, doch wer sagte denn, dass sich ihr Mörder nicht schon lange vorher oder auch nach der Tat noch eine Zeit lang in der Gegend aufhielt?
    Sie hatte Orte, sie hatte Namen und sie hatte Zeiten. Also los.
    Dr. Grede war es schon am Sonntagnachmittag gelungen, vom Stab der Zivilverteidigung mehrere Geländekarten mit großem Maßstab zu besorgen, die Engersen und seine Nachbardörfer exakt abbildeten. Eine dieser Karten hatte Ritter gestern an die Wandtafel geheftet und seine Tatortskizze und die Wege des Mörders mit verschiedenfarbigen Stiften eingezeichnet. Sobald die Kriminaltechnik oder das Labor mit der Untersuchung irgendeines Hinweises vom Tatort fertig waren, konnte er den jeweiligen Fundort in der Karte kenntlich machen.
    Lisa nahm sich diese anschauliche Darstellung als Vorbild. Sie zweckte eine neue Geländekarte daneben. Hier wollte sie kennzeichnen, welcher Zeuge wo gewesen war, wenn er jemanden gesehen hatte. Den Standort des möglichen Verdächtigen würde sie ebenfalls eintragen und dazu die Nummer des Protokolls vermerken, in dem er erwähnt wurde. So müsste sie einen recht genauen Überblick bekommen, wer sich am Sonnabendnachmittag an welchen Orten aufhielt. Ebenso wollte sie auf einer weiteren Karte mit verdächtigen Fahrzeugen verfahren.
    Außerdem plante sie, einen Zeitstrahl zu entwerfen, in dem jeder genannten Person eine Uhrzeit zugeordnet werden würde. In einigen Berichten waren sogar exakte Uhrzeiten angegeben. Mit denen wollte sie beginnen und danach die eher vagen Aussagen zuordnen. Lisa überlegte kurz und entschied sich dann, dass eine viertelstündliche Unterteilung genügend aussagekräftig sein müsste, um festzuhalten, wann jemand an einem bestimmten Ort gewesen war.
    Nach drei Stunden hoch konzentrierter Arbeit war Lisa fertig und betrachtete prüfend ihr Werk. Von Nahem sahen ihre beiden mit Punkten, Namen und Zahlen bekritzelten Karten ziemlich verwirrend, wenn nicht gar chaotisch aus. Sie ging ein paar Meter zurück und musterte die Geländepläne erneut, nun aus größerem Abstand.
    »Versuchst du dich in moderner Kunst?«, neckte Ritter sie, der mit neuen Fotoabzügen in der Hand in den Besprechungsraum kam. Er wollte die Aufnahmen von Mirows Scheune an einer der bisher leeren Stellwände anheften. Ritter stellte sich dicht neben Lisa und kniff prüfend die Augen zusammen. »Ich kann mit Picassos späten Werken eigentlich wenig anfangen, aber das da gefällt mir«, lobte er spaßhaft das vermeintliche

Weitere Kostenlose Bücher