Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
Kunstwerk.
Lisa stupste ihm wenig sanft einen Ellbogen in die Rippen, kniff ebenfalls die Augen zusammen und sagte dann geheimnisvoll: »Sieh einer an. Das ist ja erstaunlich!«
»Was, dass ich ein Kunstkenner bin?«, frotzelte Ritter weiter.
Lisa griente: »Das auch, ja. Doch noch viel erstaunlicher ist die folgende Tatsache.« Sie ging wieder dicht an den Plan heran und tippte dann auf einen blauen Punkt auf der Landstraße zwischen Engersen und der F 71. »Dieser Mann wurde nur von einer einzigen Person gesehen.«
~ 41 ~
Walter wollte sich nach Lauras Entdeckung eigentlich sofort mit ihr auf den Weg zum Zabel’schen Haus machen, um zu prüfen, welche Ähnlichkeit der dortige Zinken aufwies. Doch Margarethe Boll war ihnen, kaum das sie zusammengepackt und losgegangen waren, hinterher geeilt und hatte ratlos gefragt, wieso die Polizei in Gardelegen ihren Bruder zu sprechen wünsche. Sie hätte eben einen Anruf bekommen, doch der Rudi sei beim Wirt in der »Altmärkischen Schweiz«, um die Fleischlieferung für das kommende Wochenende zu besprechen.
»Das liegt ja an meinem Weg. Ich kümmere mich darum und sage ihm gleich Bescheid«, versprach Walter Dreyer, selbst neugierig, was das zu bedeuten hatte.
Laura ahnte nach einem Blick in sein Gesicht, dass er womöglich längere Zeit aufgehalten werden würde. »Geh nur, ist schon in Ordnung; ich komme auch alleine zurecht.« Sie nahm ihm die Fotoausrüstung ab und ging zielstrebig in Richtung Pfarrhaus davon.
Die »Altmärkische Schweiz« hatte um diese Uhrzeit noch nicht geöffnet und so ging Walter Dreyer hinters Haus. Die Tür zum Wirtschaftskeller stand offen. Er stieg die schmale Treppe hinunter und nach wenigen Stufen hörte er Stimmen. Dann sah er Wolfgang Merker, den Wirt, und Rudolf Boll, wie sie in eine halb volle Kühltruhe starrten. Merker hielt eine beeindruckende Geflügelkeule in der Hand.
Die Männer wandten sich zu ihm um; sie begrüßen einander mit leichtem Kopfnicken.
»Ich müsste mal telefonieren«, begründete Walter Dreyer sein Erscheinen.
Merker blieb die Ruhe selbst und wies mit der Keule nach oben an die Decke, über der sich die Gaststube befand. Dann setzte er die Inspektion seiner Vorräte fort.
Walter nahm den Hintereingang durch das Vereinszimmer und benutzte den Telefonapparat am Tresen. Er erreichte Judith, die ihn kurz über die neuesten Erkenntnisse zum Verbrechen an Mirow ins Bild setzte. Eine unbändige Wut packte ihn, als er über die Schikane mit dem Seil nachdachte.
Judith sagte: »Ich muss irgendwo anfangen. Warum nicht mit denen? Grambow hat zwei Kandidaten und er hat noch einmal deinen Zusammenstoß mit Rudolf Boll erwähnt. Außerdem ist es nicht ganz unerheblich, dass es sein Hund war, den wir gefunden hatten. Ich wollte den Mann ohnehin sprechen. Er steht inzwischen ganz oben auf meiner Liste. Kannst du ihn gleich herbringen?«
»Das dürfte kein Problem sein. Ich weiß, wo er steckt«, meinte Walter grimmig.
Laura brauchte am Pfarrhaus keine Leiter, um zu erkennen, dass auch dieser Zinken nicht eingeschnitzt, sondern nur aufgemalt war. Das war bemerkenswert. Wann war die Markierung wohl angebracht worden? Und was war mit all den anderen?
Sie eilte nach Hause. Gestern Abend hatte sie es doch geschafft, ihre Fotos wenigstens einmal komplett durchzusehen, bevor sie aufs Angenehmste unterbrochen worden war. Bei der Erinnerung an die letzte Nacht durchzog ein süßer Schmerz ihren Körper. Rasch wandte sie sich ihrem Vorhaben zu, bevor die Traurigkeit über den Abschied ihr etwas anhaben konnte.
Fünf Fotos, auf denen mehr oder weniger deutlich die mit weißer Farbe aufgemalten Diebeszinken zu erkennen waren, lagen nun vor ihr auf dem Küchentisch. Laura übertrug die einzelnen Wörter der Balkeninschriften mit ihrem Bleistift sorgfältig auf Zeichenkarton. Dabei versuchte sie auch die Wortabstände und Verzierungen mit zu übernehmen. Dann nahm sie Buntstifte zur Hand und malte mit Rot oder Gelb die Anfangsbuchstaben nach. Zuletzt zeichnete sie mit einem grünen Buntstift den entdeckten Zinken auf das Blatt Papier und vermerkte am Rand seine Bedeutung. Weiter unten notierte sie die jeweiligen Adressen. Laura war froh, während ihrer Touren alles gut in Aufnahmenotizen dokumentiert zu haben. Sie hatte in den letzten Tagen mindestens fünfzig, sechzig Balkeninschriften gefunden und fotografiert, da hätte sie sich jetzt nur schwer an die korrekten Adressen erinnern können.
Zum Pfarrhaus sowie
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