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Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Titel: Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Schroll
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Alte Leute ‹.«
     
 
    ~ 38 ~
     
»Mirow lebt. Noch.« Das war die gute Nachricht, die der mitgenommen aussehende Ernst Grambow Judith Brunner überbringen konnte. Er saß etwas derangiert in seinem Büro und versuchte den fehlenden Schlaf mit viel Kaffee zu kompensieren. »Mich haben sie vor ’ner Stunde nach Hause geschickt. Das Krankenhaus gibt uns sofort Bescheid, wenn sich sein Zustand ändert. Und ich weiß nicht, ob ich diesen Anruf bekommen möchte.« Der junge Ortspolizist war nach dem, was er gestern erlebt und gesehen hatte, offensichtlich wenig optimistisch, was Lothar Mirows Überlebenschancen anbetraf.
    »Der Arzt sagte mir, es war ein großes Glück, das Sie den Mirow rechtzeitig gefunden haben. Ohne umgehende ärztliche Hilfe hätte er heute schon tot sein können.«
    Grambows besorgtes Gesicht hellte sich nicht auf. »Ich frage mich schon die ganze Nacht, wann das Ganze denn überhaupt passiert ist? Es muss doch helllichter Tag gewesen sein!«
    Judith Brunner nickte. »Die Ärzte gehen davon aus, dass Mirow schon ungefähr eine Stunde auf dem Boden gelegen hat, bevor Sie ihn entdeckt haben.«
    »Also am Nachmittag. Aber viele Bauern machten schon Feierabend. Es könnte praktisch jeder gewesen sein!«
    »Das Seil wird uns helfen, die Angreifer zu finden«, wies Judith Brunner zuversichtlich auf eine Möglichkeit hin. »Besonders vorsichtig waren die nicht. Die Spurensicherung hat gestern schon einiges eingesammelt ... Mirow ist jung, der schafft das.«
    Grambow holte tief Luft. »Wenn wir bei den Eichners fertig sind, fange ich gleich an, die Nachbarn zu befragen und mich im Dorf umzuhören. Wir müssen die Kerle kriegen.«
     
    Dieses Mal öffnete ein Mann die Haustür, der zu früheren Zeiten sicher als ein vornehmer Herr bezeichnet worden wäre. Groß, gut frisiert, routiniert lächelnd und dennoch etwas unnahbar wirkend. Er reichte Judith Brunner die manikürte Hand und stellte sich vor: »Ewald Eichner. Ich habe Sie eigentlich schon gestern erwartet«, tadelte er höflich. »Treten Sie bitte näher.« Er nahm ihr den Mantel ab und wies dann einladend auf das Wohnzimmer seiner Schwester.
    Sie nahmen Platz und Judith Brunner betrachtete Ilonas Vater. Eichner war für die frühe Stunde verhältnismäßig elegant angezogen. Er trug eine schwarze Hose aus gutem Wollstoff, der auch bei längerem Sitzen kaum knittern würde, und einen ganz leichten langärmeligen nachtblauen Pullover aus Baumwolle. Seine Füße steckten in Seidenstrümpfen und Lederslippern. Auch in Schwarz. Ob diese Kleidung ein Zeichen von Trauer war oder er diese Garderobe bevorzugte, weil er sich darin wohlfühlte und sie ihm hervorragend stand, wer weiß? »Danke, dass Sie heute Morgen für uns Zeit haben. Ich störe Sie wirklich nur ungern«, sagte sie. »Es tut mir leid, dass wir es gestern nicht zu Ihnen geschafft haben, doch ein neuer Fall hat uns viel Zeit gekostet.«
    »Habe ich schon gehört. Dieser Sonderling, der am Dorfrand wohnt, soll verprügelt worden sein.«
    Judith Brunner ließ das im Raum stehen. »Sie kennen Ernst Grambow?«, stellte sie ihren Kollegen vor.
    Eichner nickte. »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Ohne unhöflich sein zu wollen, aber Sie sehen beide so aus, als ob Sie einen Kaffee gut brauchen könnten.«
    »Nein, danke«, lehnte Judith Brunner ab. »Wir wollen keine Umstände machen ... Wie geht es Ihrer Schwester?«
    Ewald Eichner wedelte unbestimmt mit der Hand. »Sie macht sich Vorwürfe, sie macht mir Vorwürfe, ... vor allem mir, glaube ich.« Er lachte unfroh auf.
    Judith Brunner registrierte, dass Ewald Eichner bisher mit keinem Wort seine Tochter erwähnt hatte. Wollte er das Unvermeidliche hinausschieben, nicht darüber reden?
    »Haben Sie Kinder, Frau Brunner?«
    Na klar! Judith seufzte innerlich. Diese Frage musste ja kommen! Sie hatte sie schon erwartet, wenn nicht gar befürchtet, denn sie wurde ihr jedes Mal von Leuten gestellt, deren Kind etwas Furchtbares widerfahren war. Sie wusste, dass die Frage meistens nicht verletzend gemeint war und sich die Betroffenen nur vergewissern wollten, ob man ihren Schmerz nachempfinden könnte. Judith Brunner erlebte die Frage dessen ungeachtet stets als Unterstellung. Als wären eigene Kinder eine Grundvoraussetzung für tiefes Mitgefühl oder für unermessliches Leid! Sie hatte in ihrem Beruf genügend Väter und Mütter kennengelernt, denen das Schicksal ihrer Kinder völlig egal war. Eltern, die ihre Kinder verwahrlosen ließen oder, und auch

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