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Nachtpfade

Nachtpfade

Titel: Nachtpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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war eine Regung, die ihm gänzlich fremd war. Er hatte sie mit
Interesse beobachtet. Wie Außerirdische. Er hatte nie nach oben gebuckelt und
nach unten getreten. Er hatte gänzlich unaktiv Karriere gemacht, eher so
beiläufig, und der Dummheit, Ignoranz und Arroganz, die ihm auf dem Weg nach
oben begegnet waren, hatte er seinen schrulligen Humor entgegengesetzt. Seine
Bewerbung nach Weilheim war ja auch mehr ein Versuchsballon gewesen – aber
einer, der wohl steil hochgestiegen war. Drum war er nun hier. Gerne hier. Wie
hatte seine Mutter kürzlich mal gesagt: »Mei Bua, dass du so eabbas schaffsch,
des het i fascht nimma glauba mega. Aber mit de Wieber miasset halt au amol was
passira. Du wirsch amol a geschpässiger Junggsell. Wie dr Onkel Alfons.« Die
gute Mama! »A Ma brucht a Wieb, so uifach isch des.« Aber das mit den Frauen
war eben alles andere als einfach! Er hatte Evi gar nicht näher treten hören,
und als die sich räusperte, fuhr er hoch.
    »Ja?«
    »Dieser Wirt von dem Seekiosk sagt, ihm würden zwei
Boote fehlen. Das ist ja ein echtes Herzchen. Während er mit mir telefoniert
hat, hat der jemanden zusammengeschnauzt, der wohl zum Brotzeitteller noch ein
Stück Brot wollte. Der Typ hat allen Ernstes fünfzig Cent extra verlangt. Und dann
wollte er bei mir gleich mal Anzeige erstatten, gegen Gott und die Welt. Gegen
Bayersoien und alle, die da gehen und wandeln. In einem Ton, da legst du die
Ohren an!«
    »Evi, Kritik aus deinem zarten Munde!« Gerhard
grinste. »Aber wieso zwei Boote?«
    »Ja, gute Frage, was denkst du?«
    »Dass die mondsüchtige Schlafwandlerin Jacky auf den
See gerudert und der Mörder ihr gefolgt ist.«
    »Woher willst du wissen, dass sie mondsüchtig war?
Hast du ‘ne Ahnung von echtem Somnambulismus? Bei Schlafwandlern ist das Bewusstsein
sozusagen noch am Schlafen, der Körper schon wach. Schlafwandeln ist im Prinzip
eine REM -Schlafstörung, eher ein
neurologisches Problem.«
    »Ich verbeuge mich vor deinem Wissen, meine Beste«,
sagte Gerhard. »Ich hab das so dahingesagt. Selbst wenn sie mondsüchtig gewesen
wäre, wäre das eine schlechte Nacht gewesen, denn die war wolkenverhangen, ja
eher zappenduster. Es wurde erst gegen fünf Uhr besser, die Wolken haben sich
verzogen.« Das zumindest wusste er, weil er schlaflos mehrmals aus dem Fenster
gesehen hatte. »Aber zwei Boote auf einem winzigen See, vielleicht hat ja doch
jemand etwas beobachtet. So eine Seeschlacht zu Soien, das muss doch jemand
gesehen haben.«
    »Weinzirl, da ist der tote Hund begraben. Unsere Leute
waren doch schon überall. Auch dieser streitbare Wächter des Sees, dieser
Wastl-irgendein-Nachname-mit-’nem-Baum hat nichts gesehen. Und mit spät
heimkehrenden Discogängern schaut es auch schlecht aus. Wir haben den Barkeeper
vom Parkhotel gefragt, die letzten Gäste im Vino, und da haben wir es!« Evi
lächelte triumphierend.
    »Was haben wir?«, fragte Gerhard.
    »Ein Mädchen – dunkel, hübsch, vielleicht nicht gerade
Einsteins legitime Nachfolgerin –, das ab und zu ins Vino geht, war gegen acht
Uhr mit dem Radl auf der Dorfstraße unterwegs. Sie meint, sie hätte Jacky aus
einem Jeep bei Auto Henritzi aussteigen sehen.«
    »Meint?«
    »Ja, sie war sich nicht ganz sicher, ob es wirklich
Jacky war. Sie kannte Jacky auch nur flüchtig«, sagte Evi. »Jedenfalls ist ein
Hund aus dem Auto gesprungen und um sie rumgehüpft. Daraufhin kam ein Mann aus
dem Auto und prügelte den Hund richtiggehend wieder rein.«
    »Was für ein Mann? Was für ein Hund?«
    »Sie hatte keine Ahnung.«
    »Oje! Ja, und das Auto? Jeep, sagte sie?«
    »Ja, aber unter Jeep verstand sie einen Geländewagen,
welche Marke das war, das wusste sie nicht. Bei der Farbe war sie sich mit Grün
recht sicher.«
    »Und bestimmt hat sie die Nummer notiert?«, fluchte
Gerhard.
    »Klar, du weißt doch, wie das ist bei Augenzeugen. Wie
die drei Affen. Das Kennzeichen sei kein GAP gewesen und ziemlich sicher kein WM ,
aber was es dann war: Fehlanzeige.«
    »Prima, wir fahnden nach einem Geländewagen in Grün
von allen Marken, die’s so gibt. Und als grandiose Hilfestellung wissen wir
immerhin, dass er nicht im Landkreis Garmisch und nicht in Weilheim-Schongau
zugelassen ist. Toll! Manchmal hasse ich unseren Job«, stöhnte Gerhard.
    »Zumindest wissen wir aber, dass Jacky gegen acht in
Bad Bayersoien war. Ab da verliert sich ihre Spur. Ab dann hat sie keiner mehr
gesehen. Toter als tot, diese Gegend.«
    »Hmm, und todbringend, zumindest

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