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Nachtpfade

Nachtpfade

Titel: Nachtpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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endgültig entlassen?«
    »Ja, mussten wir, ich brauch ‘ne Bedienung und keine
mondsüchtige Frau Doolittle.«
    »Wo ist sie denn dann hin? Zu ihrer Mutter? Nach
Kempten?«
    »Nein, da konnte sie nicht hin. Ihre Mutter hatte ‘nen
neuen Freund.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Sie hat’s dem Klausi gesagt. Das ist so ein Ruhiger,
der nie aggressiv wird am Stammtisch, der bloß einschläft. Sie hat erzählt,
dass ein Freund von ihr bei einem Kretaurlaub einen kleinen Hund überfahren
hätte. Hatte unter dem Auto im Schatten gelegen. War wohl zu müde und zu
vollgefressen mit dem Welpenbäuchlein, um vom Motorengeräusch aufzuwachen. Sie
hat Klausi erzählt, dass sie die Unebenheit gespürt hat und dass der Hund auf
ihren Knien gestorben ist. Sie hat gesagt, dass sie nicht mehr nachts Auto
fährt, um keine Katze zu überfahren. Also ich bitt Sie! Viecher werden halt mal
überfahren.«
    »Nun, wenn sie auf so was sensibel reagiert hat«,
meinte Evi.
    Das Wort »sensibel« hing in der Luft. Frau Schellharf
hatte ihr Messer weggelegt. »Und sie hat dem Klausi gesagt, der Freund der
Mutter hätte ihren Hund ins Tierheim gebracht. Das Viech war ihr Ein und Alles.
Und der Freund hat ihr Hausverbot erteilt.«
    »Aber so etwas lässt eine Mutter doch nicht zu?«
    »Ach, was wissen denn Sie! Es gibt so Frauen. Die
haben keinen Mumm. Die werden immer kleiner, immer geringer.«
    »Hatte sie denn gar keine Bezugsperson, eine Freundin
oder so?«
    »Doch, die Julia vom Dürr aus der Wildsteig, mit der
war sie beieinander.«
    »Und wo finden wir die?«
    »In Gründl, im Käsladen.« Frau Schellharf sah die
Kommissare scharf an. »Wollen Sie jetzt nichts essen? Ihnen schadt das ja
nicht«, sagte sie in Evis Richtung.
    »Wollen schon, leider haben wir keine Zeit. Danke,
Frau Schellharf«, sagte Gerhard und wusste, dass er Evi damit einen großen
Gefallen tat. Denn sie war schon jedes Mal zusammengezuckt, als die Schwester
der Wirtin, die im Hintergrund gearbeitet hatte, beherzt auf die Schnitzel
eingeschlagen hatte. Vegetarier wie Evi waren in Wirtshausküchen einfach im
Grenzbereich.
    Evi kommentierte die Aussagen von Frau Schellharf
nicht, sie rügte ihn auch nicht wegen seines Tones, sie stieg einfach nur ins
Auto, fuhr über die Brücke und weiter Richtung Lechbruck. Der Schwaigsee ruhte
in herbstlicher Fuizlandschaft, Hörnle und Pürschling schienen zu wetteifern,
wer sich malerischer gegen den blauen Himmel anzuheben wusste. Wildsteig
versuchte sich ebenfalls in Postkartenoptik, und die langsam dahinkriechenden
Touristenautos bogen alle an der Wieskirche ab. In Gründl, kurz vor Steingaden,
gerade noch auf altbayerischem Grund, aus bayerischer Sicht auf der richtigen
Seite des Lechs, trafen sie Julia Dürr, als diese gehen wollte. Sie setzte sich
mit dem Kommissaren auf die Brotzeitbänke dieser Schönegger Käsealmfiliale. Das
Mädchen war Anfang zwanzig, hatte rötliche und brünette Strähnchen im langen
blonden Haar, ein Nasenpiercing und einen Brilli im Schneidezahn. Sie trug ein
bauchfreies T-Shirt zur Stretchjeans und ein Jäckchen, das noch kürzer war als
das Shirt. Sie war eher zu dünn als zu mollig und auf jeden Fall ganz schön
kess für Gründl, befand Gerhard.
    »Jacky war Ihre Kollegin?«, fragte er.
    »Ja, aber nur kurz. Als sie bei der Flößerstube
rausgeflogen ist, was sie ein paar Monate hier. Aber sie hat dauernd verpennt
und den Laden nicht aufgeschlossen. So gechillt kann man das nicht machen,
mitten in der Touristensaison. Da flog sie raus.«
    »Hatten Sie danach noch Kontakt zu ihr?«
    »Ja, wir sind von Zeit zu Zeit mal ins Vino gegangen.
Wir waren auch ein-, zweimal in Kempten zum Shoppen. Kann man da recht gut, es
ist näher als nach München. Aber Jacky war eh nicht so stylisch.«
    »Sie war nachtaktiv, haben wir gehört. Hat sie Ihnen
mal erzählt, wieso sie die ganze Nacht spazieren geht?«
    »Na ja, nur dass sie das braucht und dass sie nachts
mit Tieren redet. Auf der Käsalm hat’s ja auch so ‘nen kleinen Streichelzoo.
Shetland-Ponys und so. Übelst frech, die Teile. Aber bei Jacky waren die wie
Lämmlein.« Julia hatte sich eine Zigarette angesteckt, und als Gerhard ihr
Feuer gab, schenkte sie ihm so was von einem Augenaufschlag. Gerhard
registrierte Evis leises Grinsen, die nun fragte:
    »Hatte sie denn nie Angst so alleine in der Nacht?«
    »Hab ich sie auch mal gefragt, aber sie meinte, die
Nacht wär nicht so aggro wie der Tag, wär so still und friedlich, und ein
Waldspaziergang im

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