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Nachtpfade

Nachtpfade

Titel: Nachtpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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Mühlegg wär ja wohl weniger gefährlich als
Berlin-Friedrichstraße bei Nacht oder ganz Frankfurt. Ihr würd schon nichts
passieren. Irgendwie hat mir das zwar eingeleuchtet, aber, eh, echt: krasses
Pferd, oder? Ich fand es trotzdem gruselig. Diese komischen Geräusche in der
Nacht.« Julia warf das Haar gekonnt nach hinten.
    »Nun, Frau Dürr, nun ist ihr ja leider wirklich was
passiert«, sagte Gerhard.
    »Ja, voll krass! Aber sie wurde nicht, wurde nicht …?«
So wie sie die stark geschminkten Augen aufriss, wirkten die noch größer.
    »Vergewaltigt, meinen Sie? Nein! Hatte sie denn einen
Freund?«
    »Nö. Ich denk, die Jacky war voll psycho. Wollte immer
reden mit den Typen. Wollte einen, der ihr Freund ist und ihr Lover. Krass,
oder? So was gibt’s in Filmen. Hier musst du froh sein, wenn dein Typ nicht
völlig zu ist, wenn er nach der Flößerstube noch bei dir vorbeikommt. Sie wollte
was Festes. Echt – zum Reden und so. Ich hab das nie kapiert. Typen kommen und
gehen. Scheiß die Wand an – morgen kommt der Maler.«
    »Aha, ähm, Sie kamen trotz Ihrer, ähm,
unterschiedlichen Lebenseinstellungen gut aus? Sie würden sagen, Sie kannten
sie gut?« Gerhard begann sich nach Frau Jocher zurückzusehnen. Das hier war
nicht mehr seine Welt.
    »Nein, nicht wirklich, sie war irgendwie gar nicht
gechillt.« Julia drückte die Zigarette aus und steckte sich sofort eine neue
an.
    »Keine Frauengespräche über Männer? Sie war doch sehr
hübsch, hatte sie keine Verehrer?« Evi verlieh ihrer Stimme diesen Unterton von
verschwörerischen Frauengesprächen.
    »Doch, sie war ein Schnittchen. Klar gab’s genug, die
mit ihr in die Kiste wollten, aber das waren nicht die, die sie gewollt hat.«
    »Die da waren? Der Manfred Weinling?«
    »Der? Sie ham wohl ‘nen Scherzkeks gefrühstückt. Doch
nicht der Weinling, einer der immer nur am Stammtisch rumhängt oder beim Anton
Erhard ein Bier nach dem anderen kippt. Sie wollte einen, der nicht säuft.
Einen, der hier nicht säuft, gibt’s nicht. Geld war ihr total latte, Autos
auch.«
    »Total latte?«
    »Na, eben total egal. Bei Geld war sie so wie: Kennen
Sie Wayne?«
    »Bitte?«
    »Wayne interessiert’s!«
    Doch, Gerhard wünschte sich inzwischen inständig zu Frau
Jocher hin. Julia war der lebende Beweis für den Verfall der Sprache Goethes
und Schillers. Das war die Generation, die mal seine Rente zahlen sollte.
»Okay, sie suchte also den Märchenprinzen, das romantische Klischee, oder?«
    »Klischee? Keine Ahnung. Sie wollten keinen, der sich
dauernd abschießt. Alkoholmäßig. Einen, der Viecher mag.«
    »Wie wäre es denn mit dem Anton Erhard gewesen? Der
ist doch schon aus den gröbsten Zeiten raus?«, sagte Evi.
    »Aber der lötet sich auch voll krass zu. Und der ist
uralt! Und dann immer mit der Schwester am Hof! Das ist ja schlimmer als ‘ne
böse Schwiegermutter.«
    »Aber sie hatte mit Marianne Erhard doch ein gutes
Verhältnis, oder?« Gerhard runzelte die Stirn.
    »Wenn Sie das sagen.«
    »Julia, ich will wissen, was Sie dazu sagen, was Jacky
dazu gesagt hat.«
    »Dass die ‘ne Hexe ist.«
    »Oh!«
    »Ja, oh. Ich glaub, die Jacky mochte den Anton echt.
Geil, oder? Sie mochte den alten Knacker. Aber die Jacky wär so gerne Bäuerin
gewesen wegen der Tiere und der Natur und so. Übelst Landei. Aber doch nicht
beim Anton und schon gar nicht mit der Schwägerin.«
    »Aber sie hatte ein Faible für Landwirte?«
    »Ja, alte Scheiße, aber ihre Typen hatten sich immer
schon ‘ne Bäuerin ausgesucht. Eine von hier. So leicht heiratet man als Ossi
hier nicht ein. Das hab ich der Jacky immer gesagt.«
    »Und wer waren die Kandidaten?«
    »Ach, da gibt’s so ‘nen Rossbauern aus Schönberg, der
immer in der Flößerstube sitzt. Blaue Augen und Grübchen. Ist aber vergeben.
Oder noch so ein Schönberger, der sich immer unterm Hut versteckt. Obercool am
Stammtisch, sonst ganz nett, aber auch nicht interessiert.«
    »Nur Pech in der Liebe?«
    »Ja schon. Sie hat mal mit dem Käser rumgemacht.«
    »Rumgemacht?«
    »Na ja, alles bis auf das Letzte. Das wollt sie nich.
Krass, oder?«
    »Und welcher Käser?«
    »Ja, der von der Käsalm. Beide hatten komische Ideen,
aber das beschissene Leben ist nicht so und auf der Käsalm schon gar nicht.«
    »Warum?«
    »Oben auf der Alm ist Disneyland mit Schaukäsen und
so. Aber da gehen Sie mal nach Prem in die Zentrale. Total modern. In
Wirklichkeit arbeitet man hier mit Mordsbulldogs, zieht ein
Zehntausend-Liter-Fass, und das

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