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Nachtpfade

Nachtpfade

Titel: Nachtpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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ist nicht die Landwirtschaft, wo der Tourist
sehen will. Wenn ich hier verkauf, sagen mir die Gäste oft, dass die Kühe auf
den Wiesen fehlen und die Siloballen eklig sind. Eh, die peilen das nicht, dass
die meisten Bauern längst Laufställe haben, und wenn überhaupt, wird erst nach
dem zweiten Schnitt im Herbst noch ausgetrieben.«
    »Und was hat das mit Jacky zu tun?«
    »Die wollte arbeiten wie früher. Bio und so, aber dazu
hätte sie ‘nen Bauern gebraucht. Ich mein, der Käser war auch ein bisschen
psycho. Der hätt zu ihr gepasst. So ein Depp, der hatte einen echt gechillten
Job auf der Käsealm mit sicherem Monatsgehalt. Welcher Bauer hat das schon?
Aber nun ist der nach Niederbayern und will was Eigenes aufbauen.«
    »Da hätte Jacky doch mitgehen können?«
    »Nein, der ist leider verheiratet. Leider für Jacky.
Der brauchte auch keine Bäuerin mehr.«
    Sie verabschiedeten sich schließlich und sahen Julia
noch nach, die in ihrem aufgemotzten Vierer-Golf davonraste. Gerhard grinste
und ahmte Julias Piepsstimme nach. »Scheiß die Wand an, Evi, ich werde alt, ich
verstehe den Jugendjargon nicht mehr.«
    Evi lachte. »Tja, Weinzirl, da könntest du der Papa
von sein.«
    »Ich halte es auch da mit Julia, ein klassischer Fall
von Wayne. Wayne interessiert’s. Aber ich werde nicht alt.«
    »Toll, Weinzirl, jetzt kommt doch gleich, dass Männer
so alt sind, wie sie sich fühlen, und Frauen so alt, wie sie sich anfühlen. Alt
werden ist für uns Mädels echt kein Spaß. Außer Claudia Bertani werden alle
alt. Die testet seit hundert Jahren Kirschen für Mon Chéri, das Kleidchen so
rot, die Wangen so faltenlos. Ich werde alt, dabei fühle ich mich nicht anders
als mit achtzehn, aber der Körper schwächelt einfach. Falten kommen, die mit
viel Schlaf eben nicht mehr weggehen. Und ich kriege graue Haare wie Fäden und
ein Hexenhaar am Kinn. Und in fünf Jahren hab ich Dellen an den Oberschenkeln,
die jeder neuen Creme trotzen. Ich krieg diese fiese Cellulite auch.«
    »Evi, du doch nicht, du dünner Hering, du bist von
solchen Dingen doch sicher verschont. Und außerdem solltest du als
Außenstehende nicht mitreden. Du bist doch höchstens dreißig.«
    »Danke, Weinzirl! Sehr charmant, aber ich werde dieses
Jahr noch fünfunddreißig. Schrecklich, oder? Ist das alt?«
    »Alt ist man, wenn einen Achtzehnjährige siezen. Das
tun sie schon, wenn du fünfundzwanzig bist. Drum lebe ich in Bayern, wo man
kaum einen siezt, griaß di sagt und ihr«, meinte Gerhard.
    »Ach, deshalb lebst du hier!« Evi lachte und wurde
dann ernst. »Und du lebst hier, um einen Mordfall aufzuklären.«
    »Danke für den Hinweis, hätt ich fast vergessen. Wir
sollten uns die Erhards nochmals vornehmen, wir wissen zumindest, dass es
zwischen Marianne und Jacky wohl doch nicht so gut aussah.«
    »Ja, aber das ist mir zu einfach«, meuterte Evi.
    »Mir auch, drum mach ich mich jetzt bei Hajo, meinem
Vermieter, über Holz schlau. Der ist schließlich Forstwirt. Und du, meine
Schöne, kannst diese schicke Schönberger Männerwelt abgrasen, und hör dich mal
um, ob der niederbayerische Käser kürzlich an der Heimatfront im Oberland war.«
    Evi rollte theatralisch mit den Augen. »Danke, ein
Flirt mit Landwirten zwischen Silo und Heuballen, auf diese Gelegenheit hab ich
gewartet.«
    Sie fuhren zurück nach Weilheim, wo Evi ins Büro ging
und Gerhard nach Hause, um Hajo aufzusuchen. Der war gerade dabei, an seinem
dauerkranken Uralt-Unimog zu schrauben, und war heilfroh über ein Abwechslung,
die ihm eine Flasche Luganer einbrachte und Gerhard Weißbier.

Kapitel 5
    »Wie hass ich hingegen alle die
    Barbaren, die sich einbilden,
    sie seien weise, weil sie
    kein Herz mehr haben.«
    Hölderlin, Hyperion
    »Du willst was übers Holzgeschäft lernen?« Hajo
lachte. »Wie viel Zeit hast du?«
    »Wenig, es geht um Mord und darum, dass die Ermordete
wahrscheinlich zu viel gesehen hat. Im Wald. Bloß habe ich keine Ahnung, was
das gewesen sein könnte«, sagte Gerhard und prostete Hajo zu.
    Hajo nickte. »Gut, aber das ist schwere Kost, das sag
ich dir gleich. Nirgendwo wird so beschissen wie im Wald. Nicht nur, dass
illegal Holz geschlagen wird, das ist gang und gäbe, es geht noch viel
perfider. Da schlägt einer Holz und weiß genau, dass es bei Holzlastern ein
zulässiges Gewicht gibt. Er belädt aber beispielsweise um gut ein Drittel mehr
und schickt das Fuhrwerk nach achtzehn Uhr los, weil dann Holzlaster meist
nicht mehr kontrolliert werden.

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