Nachtpfade
übrig.
»Des war mei beschte Stuat. Die Fini. Mei, die guate
Fini. Lauter Stutfulla hot se. Und allweil Rappn. De bringa a Haufn Geld.«
»Weinling, tut mir leid mit dem Pferd«, sagte Gerhard.
»Wer hat da an Ihrer Kutsche rumgespielt?«
Der Weinling starrte nur apathisch vor sich hin.
Gerhard winkte Toni zu. »Mach uns noch ‘ne Runde.«
Sogar Evi kippte ein Stamperl von Tonis
Allheilmedizin, wenn auch mit angewidertem Gesichtsausdruck. Jo war in die
Küche gegangen, die vier Polizisten schwiegen mit Weinling um die Wette.
Gerhard hatte Melanies Notizen überflogen, Notizen in einer dermaßen akkuraten
Handschrift, dass sie damit wohl jeden Schönschreibwettbewerb gewinnen würde.
Die Sache war so weit klar: Die Bremse war manipuliert worden, und als Manfred
Weinling ihr Versagen erstmals bemerkt hatte, war es ihm gelungen, den Wagen
noch über das Auflaufenlassen an einer höheren Bordsteinkante abzubremsen. Dann
hörte er das Knirschen der Räder. Das war der Moment gewesen, wo er sich zur
Seite gebeugt hatte, wo er eigentlich hatte anhalten wollen, als das Drama
seinen Lauf nahm. Die Kutsche hatte die Nacht über schon in Peißenberg
gestanden, er hatte in der Frühe die Pferde mit dem Hänger gebracht und
angespannt. Melanie hatte ihn auch gefragt, ob ihm beim Anspannen nichts
aufgefallen sei. Was er verneint hatte, die Fußbremse habe funktioniert, und
wer bitte schön überprüft seine Räder? »Schaugsch du allweil noch, ob bei deim
Auto d Roafa locker sen?«, hatte er Melanie gefragt.
»Weinling, wer könnte das gewesen sein?«, fragte
Gerhard.
»Koaner.«
»Kommen Sie, der Heilige Geist war es nicht!«
»Meine Spezln macha so was ned.«
»Dann war es eben kein Spezl. Mit wem haben Sie
momentan Ärger?« Gerhard beugte sich zu ihm hinüber. »Mit wem?«
»Mit koam.«
»Weinling, da wurden Menschen teils schwer verletzt,
ein Pferd ist tot. Da werden womöglich Forderungen auf Sie zukommen.
Schmerzensgeld, Prozesse, wenn Sie nicht beweisen können, dass Sie an dem
Unfall keine Schuld tragen, isch mehr hie wia a Gaul!« In Schönberg verstand
man Allgäuerisch, und der Manfred sah auf. Na also, Gerhard legte Dramatik in
seine Stimme. »Das hier ist ernst, sauernst. Mit wem hatten Sie Zoff?«
»Ja, mit m Toni.«
»Welchem Toni?«, fragte Gerhard.
»Dem Erhard-Anton.«
»Ihrem besten Spezl?«
»Ja, weil der moant, dass i schuld bi, dass Se und Ihr
Kollegin uns im Wald bsucht ham.« Weinling klang weinerlich.
»Wieso Sie?«
»Weil der Toni moant, i wär um de Jacky rumgschwanzlt
und dass des mit dem Holz nia rauskemma wär, wenn i ned so an großn Stadl baut
hät. Des ganze Dorf frogt se, wo des Holz her isch.«
Das war eine lange Rede für Weinling gewesen, der Ouzo
schien ihn zu beflügeln. Anton Erhards Argumentation leuchtete Gerhard auch
durchaus ein, aber das war doch noch kein Grund, eine Kutsche so gefährlich zu
manipulieren. Was er Manfred Weinling auch wissen ließ.
»Ja, guat, do war no was anders.«
»So, und was? Weinling, wir haben nicht die ganze
Nacht Zeit.«
»Do war geschtern die SMS .«
»Welche SMS ?«
Meine Seele, das zog sich! Gerhard gab sich Mühe, ruhig zu bleiben.
»Do war gstanda, dass i mi ned mit oam olega soll.«
»Wo ist das Handy?« Evi war aufgesprungen. Weinling
fingerte es aus der Jacke. Evi riss es ihm förmlich aus der Hand. Die SMS war noch da mit dem korrekten
Wortlaut: »Leg dich nicht mit mir an, du Wicht.« Keine Nummer, die Kennung war
wohl unterdrückt worden.
»Mist!«, rief Evi.
»Vom wem kann das kommen?«, fragte Gerhard.
»Mei.«
»Was, mei?«
»Vom Toni, aber i ho gmoant, dass er koa Mail schreiba
ko.« Weinling schaute kuhäugig in die Runde, als wüsste diese, ob der gute
Anton Erhard SMS -fähig war.
»Das war eine Warnung, eine Vorankündigung. Warum
haben Sie nicht reagiert?«, rief Evi. »Dann hätte es einige Verletzte weniger
gegeben.«
»So was denkt doch koaner«, sagte der Weinling und
blickte hilfesuchend zu Gerhard hinüber.
Im Prinzip hatte Manfred Weinling recht. Wegen der SMS wäre keiner auf die Idee gekommen,
dass jemand so ein gefährliches Manöver an seinem Wagen treiben würde. »Es geht
immer wieder um den Anton. Warum?«, fragte Gerhard und nickte Weinling
aufmunternd zu.
»Er hat oft a Pech mit dr Säg«, murmelte der Weinling
schließlich.
Gerhard war allerdings völlig unklar, was die
Erhard’schen Sägwerksprobleme damit zu tun haben sollten. Tonis nächste Runde
hatte Weinlings Alkoholpegel wohl
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