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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Wein und dazu zwei belegte Brötchen mit Schinken und Käse.
    Momentan läuft einfach nichts rund in meinem Leben, dachte er, nichts funktioniert so, wie ich es erhoffe, nichts klappt. Gabriella hat ganz recht: Ich bin ein gottverdammter Pechvogel.
    Aber bevor er in Selbstmitleid versank, zwang er sich, sich darüber nicht weiter den Kopf zu zerbrechen, bis er irgendwann das Gefühl hatte, es geschafft zu haben, und an gar nichts mehr dachte.
    Als Neri gegen einundzwanzig Uhr nach Hause kam, schien auf den ersten Blick alles friedlich zu sein. Gabriella und ihre Mutter Gloria saßen vor dem Fernseher und guckten »Chi vuol essere Millionario«.
    Oma hatte trotz der Hitze eine Häkeldecke auf den Knien, eine dicke Brille auf der Nase und verfolgte die Sendung mit weit aufgerissenen Augen. Nervös mit den Fingern flatternd, wenn sie überlegte, beantwortete sie jede Frage. Lautete die Frage: Welcher Käse wird auch als Frischkäse bezeichnet? A: Laubenkäse, B: Hüttenkäse, C: Katenkäse, D: Schuppenkäse, dann sagte Oma: »Ganz klar A. Pecorino. Das ist der frischeste Käse überhaupt. Wenn man weiß, wo man ihn kauft. Auf die Nase fallen und altes Zeug angedreht bekommen kann man überall.«
    Gabriella hatte die Augen geschlossen, und Neri wusste nicht, ob sie noch wach war oder schon schlief. Niemand schien sein Hereinkommen bemerkt zu haben. Schließlich hustete er laut und deutlich. »Hallo, ihr beiden! Da bin ich wieder!«
    Gabriella schlug die Augen auf. »Ach, Neri! Ciao!«
    Oma nahm die Brille ab und sah Neri hasserfüllt an. »Da kommt ja der, der mein Enkelkind vertrieben hat!«, keifte sie.
    Neri spürte, wie er schon wieder wütend wurde. »Ja, ja, ja!«, schrie er. »Und vergiss nicht, Oma, ich bin auch der, der schuld daran ist, dass wir nicht mehr in Rom wohnen, sondern hier in diesem Käsenest versauern!«
    »Neri, bitte, hör auf!« Gabriella stellte den Ton des Fernsehers lauter. »Komm mit in die Küche! Willst du noch eine Kleinigkeit essen?«
    »Schscht!«, zischte Oma. »Wenn es euch nicht interessiert und wenn ihr blöd sterben wollt – bitte schön. Aber bei dieser Sendung kann man ’ne Menge lernen, und darum möchte ich die jetzt sehen und nicht gestört werden, bitte!«
    Omas Hände fingen schon wieder an zu flattern, und Neri und Gabriella schlichen aus dem Zimmer und gingen in die Küche.
    »Giannis Wohnung ist eine Katastrophe, Neri!«, platzte Gabriella sofort los. »Ein enger Schlauch, ein dunkles Loch, ohne Licht, ohne Sonne, ohne Luft, ohne Blick – ich sag dir, ganz, ganz unten. Wenn man sich vorstellt, dass das Kind da jetzt wohnt, bricht einem das Herz.«
    »Das Kind hat es sich doch selbst ausgesucht, Gabriella. Oder haben wir ihm die Wohnung besorgt?«
    Gabriella schüttelte stumm den Kopf.
    »Na also. Dann wird sich das Kind das dunkle Loch ja auch vorher angesehen haben. Und er hat sich für den hässlichen Schlauch entschieden. Und da das alles anscheinend besser ist als hier zu Hause, bitte schön. Dann muss er da durch.«
    »Wenn du doch mal zu dem ganzen Abschaum, mit dem du normalerweise in deinem Job zu tun hast, auch so unerbittlich und hart wärst. Dann hättest du wahrscheinlich wesentlich mehr Erfolge aufzuweisen.« Gabriella flüsterte, aber sie wusste ganz genau, wie sehr sie Neri damit bis ins Mark traf. Da konnte sie noch so leise sprechen.
    Sie räumte Oliven, Tomaten, Salami, Parmesan, Brot und Öl auf den Tisch und setzte sich.
    »Ich muss mit dir reden, Gabriella«, begann Neri.
    »Nur zu! Schieß los! Oma ist beschäftigt.«
    Neri atmete tief durch, nahm seinen ganzen Mut zusammen und sagte: »Ich hab leider schlechte Nachrichten, cara.«
    Er wartete schon vorab auf mitfühlendes Verständnis in ihrem Blick, aber da war nur sachlich gespannte Aufmerksamkeit.
    »Sie haben mir eine Urlaubsvertretung aufs Auge gedrückt. Auf Giglio. Isola del Giglio. Ein kleines Paradies im Meer. Drei Wochen. Sonne, Wasser, Wind und einen Blick bis ans Ende der Welt.«
    »Hochinteressant!«, meinte Gabriella spöttisch. »Und wann?«
    »Im August.«
    »Waaas?« Gabriella sprang auf. »Im August wollten wir nach Capri! Die Pension ist seit einem halben Jahr gebucht!«
    »Ich weiß, ich weiß! Aber was soll ich denn machen? Die haben sich heute bei mir gemeldet, und das war keine Anfrage, sondern ein Befehl! Auf dieser Winzlingsinsel haben sie nur zwei Carabinieri, und wenn einer Urlaub macht, dann ist nur noch einer übrig, und das ist zu wenig. Man braucht ja immer einen

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