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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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setzte.
    Ganz anders als Dr. Hersfeld, der ungehobelte Klotz. Aber zurzeit hatte der sicher andere Sorgen, als sich um sein Benehmen zu kümmern. Vielleicht war die Leiche schon freigegeben worden. Dann musste er die Beerdigung organisieren, Freunde und Bekannte informieren – auf alle Fälle war es eine Gelegenheit, mal wieder mit vielen Geschäftsfreunden in Kontakt zu treten, ohne dass man einen Anruf mit einer albernen Ausrede tätigen musste, um sich erneut ins Gespräch und in Erinnerung zu bringen. Insofern konnte ihm Dr. Hersfeld fast dankbar sein.
    Matthias lächelte. Beinah hätte er laut gelacht, aber dann wären die anderen auf ihn aufmerksam geworden, und das wollte er auf keinen Fall.
    Eine kleine, rundliche Frau mit kurzen, leicht gewellten dunklen Haaren kam dazu. Richtig, jetzt erkannte er sie auch wieder, es war die Frau des Arztes, die am liebsten englisches Frühstück verspeiste: Berge von Rührei mit gebratenem Schinken und dazu Toast. Tausend Kalorien schon mal am frühen Morgen. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie in fünf Jahren nur noch übers Deck rollen.
    Er sah sie genauer an. Unter ihrer Bluse, die der Fahrtwind eng an ihre Haut presste, zeichnete sich ein kleines, strammes Bäuchlein ab. Das kam nicht von zu viel Ham and Eggs, die beiden waren offensichtlich dabei, sich zu vermehren.
    Gott, wie banal und wie gewöhnlich! Innerlich schüttelte es ihn. Noch konnten sie schöne Reisen unternehmen und ihren Horizont erweitern, bald würde ihr Alltag nur noch von Windeln, lauwarmer Milch und Bananenbrei geprägt sein. Eine entsetzliche Vorstellung.
    Die Frau ging zum Kuchenbuffet und holte sich ein Stück Himbeer-Sahnetorte. Dazu bestellte sie sich einen doppelten Milchkaffee, während ihr Mann sich noch einen Espresso kommen ließ.
    Als die Frau sich ihrem Mann näherte, sprang er auf, rückte ihr wie immer den Stuhl zurecht, und sie setzte sich so vorsichtig, als wäre sie schon im neunten Monat. Der Arzt lächelte sie an, sagte ein paar Worte, die Matthias nicht verstand, dann nahm er ihre Hand und hielt sie an seine Wange. Anschließend streichelte er zu allem Überfluss auch noch ihren kleinen Kugelbauch.
    Matthias spürte eine aufkommende Übelkeit. Das war ja alles so ekelhaft und fürchterlich! Im Grunde veranstaltete der Arzt mit seiner Frau einen ähnlichen Zirkus wie er mit seiner Mutter. Nur dass die junge Frau nicht alt und krank, sondern gesund und dieses Aufheben, das der Mann machte, einfach nur affig und überhaupt nicht nötig war.
    Das Paar störte ihn. Das, was er mit ansehen musste, beleidigte seine Augen. Und er hatte den Arzt für einigermaßen intelligent gehalten. Wie man sich täuschen konnte!
    In diesem Augenblick hörte Matthias das leise Pling des ankommenden Fahrstuhls. Die Tür öffnete sich, und Tatjana schob Henriette in die Lido-Bar. Sie hatte seine Mutter zuvor noch frisiert und ihr mit einem roten Lippenstift die Lippen nachgezogen. Sie wirkte wie eine Gräfin, und Matthias bedauerte, dass er fast ihren gesamten Schmuck zu Hause im Safe gelassen hatte.
    Er stand auf, ging ihr entgegen und schob dann den Rollstuhl neben sich an seinen Tisch. Von diesem Platz aus war die Aussicht auf das Meer grandios.
    »Bitte hol meiner Mutter eine Erdbeerschnitte und ein kleines Stückchen Streuselkuchen«, sagte er zu Tatjana. »Dazu ein Kännchen Kaffee. Koffeinfrei.«
    Matthias bezweifelte, dass Tatjana, die tumbe Nuss, sich das alles merken konnte, aber sie nickte wie immer ergeben und ging zum Kuchenbuffet.
    »Geht es dir gut?«, fragte er seine Mutter mit leiser, sanfter Stimme, während er ihre dünne, faltige Hand in seine nahm.
    »Sehr gut«, antwortete Henriette. »Es ist alles so wunderschön!«
    »Das freut mich, Mama.«
    Die tumbe Nuss kam mit dem Kuchen wieder und balancierte in der linken Hand ein kleines Tablett mit einem Kännchen Kaffee, Tasse, Untertasse, Löffel, Zucker und Milch.
    Matthias hielt den Atem an und wollte schon zur Seite springen, aber Tatjana schaffte es doch, das Tablett klirrend abzustellen, ohne den Kaffee zu verschütten.
    »Danke«, meinte Matthias knapp. »Geh doch, und hol dir auch ein Stückchen Kuchen, wenn du willst.«
    Das ließ sie sich nicht zweimal sagen und stapfte wieder zum Buffet.
    Matthias begann seine Mutter zu füttern. Sie schaffte es zwar schon, den Löffel allein zum Mund zu führen, aber es war mühsam und dauerte lange. Zwischendurch flößte er ihr langsam und vorsichtig den Kaffee ein und wischte ihr

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