Nachtprinzessin
abzuarbeiten, auf dem Herd hatte er achtzehn Pfannen gleichzeitig in Betrieb. Sein Schweiß tropfte in den Gemüsefond, aber es störte ihn nicht, das heißt, er konnte es einfach nicht verhindern.
»Mach hinne, du Arschloch!«, brüllte sein Souschef. »Wir müssen schicken. Na los, schlaf nich ein, du Wichser!«
»Halt die Fresse!«, schrie er zurück.
Er arbeitete wie eine Maschine unter Hochdruck, mittlerweile seit zwölf Stunden. Gegessen hatte er heute noch nichts, nur drei Bier getrunken, aber die hatten seinen Durst nicht gestillt, sondern waren in seinem überhitzten Körper sofort verdampft. In seinen Schläfen spürte er, wie sein Herz raste. Er konnte einfach nicht mehr, arbeitete aber dennoch weiter, ohne Pause.
Und in dieser Situation klingelte jetzt auch noch das verdammte Telefon. Er verfluchte sich selbst, dass er es überhaupt eingesteckt hatte. Normalerweise ließ er es zu Hause und schaltete es auch nur selten an, aber Leyla hatte ihn darum gebeten. Und so hatte er sich eben breitschlagen lassen.
Während er sein Handy hektisch aus der Hosentasche zog und sich meldete, konnte er sehen, wie die Spargelspitzen im heißen Fett verbrannten.
»Alex«, flüsterte Leyla, und ihre Stimme bebte. »Wir können uns heute Nacht nicht sehen. Ich glaube, mein Vater hat was gemerkt, wir müssen jetzt verdammt vorsichtig sein, sonst schlägt er dich tot!«
»Okay.«
»Ich finde das gar nicht okay.«
»Ja, hab schon kapiert. Aber ich kann jetzt einfach nicht telefonieren.«
»Ich ruf dich wieder an«, sagte sie und legte auf.
»Kommst du bald zu dir, du Pisser?«, brüllte der Souschef. »Steht der hier dämlich rum und quatscht mit seiner Tusse! Der ganze Laden wartet auf dich!«
Souschef Jürgen grapschte dreist in die Dekoration, die Alex gerade auf einem Teller drapierte, fraß sie auf und wandte sich ab.
Was für ein Scheißkerl, dachte Alex, der soll bloß aufpassen! Wenn ich den allein erwische, schlage ich ihm die Zähne aus.
Er arbeitete noch weitere vier Stunden auf Hochtouren und hatte tatsächlich nach sechzehn Stunden Feierabend.
Als er vor dem noblen Fünf-Sterne-Hotel auf der Straße stand, in dessen Küche es schlimmer zuging als in einer dreckigen Stampe, überlegte er, was er jetzt tun sollte. Auf seine unaufgeräumte, leere Wohnung hatte er keine Lust, außerdem war der Kühlschrank leer.
Er schlenderte durch die Straßen und warf einen kurzen Blick in seine Brieftasche. Vierzig Euro und ein paar Münzen. Damit konnte er heute Nacht keine großen Sprünge machen.
Im Bahnhof Zoo kaufte er sich einen Maxi-Döner, den er heißhungrig verschlang. Dazu trank er zwei große Bier und fühlte sich schon ein bisschen besser. Vielleicht besorgte er sich auch einfach nur bei der nächsten Tanke zwei Sixpacks und haute sich zu Hause in seinem Loft vor die Glotze. So wie immer.
Morgens um acht klingelte bei Matthias das Telefon.
Er war sofort hellwach. Es ist was mit meiner Mutter, dachte er sofort und zitterte so, als er die Annahmetaste auf dem schnurlosen Telefon drücken wollte, dass er das Gespräch aus Versehen wegklickte. Während er noch überlegte, wo er die Nummer der Klinik aufgeschrieben hatte, klingelte es erneut.
»Ja! Matthias von Steinfeld.«
»Hallo, Matthias, hier ist Thilda.«
»Bist du verrückt, mich um diese Zeit anzurufen?«, polterte Matthias augenblicklich los.
»Vielleicht hörst du mir erst mal zu, bevor du mich anschreist.«
Thilda war seine Exfrau. Sie hatten sich vor zehn Jahren scheiden lassen, und ihr Kontakt beschränkte sich auf absolut notwendige Telefonate oder ein gemeinsames Kaffeetrinken am Heiligen Abend, Oma zuliebe.
»Also?«
»Ich bin bei Alex. Man hat ihn zusammengeschlagen. Er ist verletzt, weigert sich aber, ins Krankenhaus zu fahren. Vielleicht kannst du ihn überreden?«
»Wer hat ihn zusammengeschlagen?«
»Keine Ahnung. Frag ihn selbst.«
»Ich komme sofort.«
Matthias legte auf und sprang aus dem Bett in die Sachen, die er schon am Vortag getragen hatte. Auch die Schuhe waren nicht geputzt, aber in dieser Situation war ihm alles egal. Mit welchem Abschaum hat Alex sich jetzt bloß wieder eingelassen? Seine Gedanken hämmerten. Lass es nicht so schlimm sein, lass ihn wieder gesund werden, bitte.
Im Bad spülte er sich nur kurz den Mund aus, benutzte die Toilette, verzichtete auf den Kaffee, klemmte sich aber eine Flasche des besonderen Mineralwassers unter den Arm und verließ das Haus.
Alex lag auf einer Matratze auf dem
Weitere Kostenlose Bücher