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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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bestand darin, dass Gianni von Jagdhunden aufgestöbert oder von einem Pilzsammler gefunden wurde. Aber das war dann eben Pech und nicht zu ändern. Bei den anderen Jungen hatte er sich solche Gedanken überhaupt nicht gemacht, und es war nichts passiert. Wahrscheinlich hätte es auch nichts geändert, wenn er seine Opfer der Polizei direkt vor die Tür gelegt hätte.
    Es war einfach wunderbar, wie die Polizei im Dunkeln tappte.
    Matthias fuhr mit seinem Wagen direkt in seinen großen Magazinraum, verschloss die Tür und ging gelöst und bester Laune die Steintreppe hinauf bis zu seiner Wohnung.
    Der Schreck, der ihm nur Sekundenbruchteile später durch die Glieder fuhr und ihn eiskalt erwischte, war das Schlimmste, was er je erlebt hatte.
    Über dem Schloss an seiner Wohnungstür klebte ein amtliches Siegel der Carabinieri.
    Matthias wurde schwarz vor Augen, und er musste sich setzen.
    Sie waren also in der Wohnung gewesen. Aus irgendwelchen Gründen hatten sie die Leiche gefunden. Er konnte sich überhaupt nicht vorstellen, wie und warum, aber das war ja jetzt auch egal.
    Sein erster Impuls war, sofort wieder ins Auto zu steigen und zurück nach Deutschland zu fliehen, aber dann zwang er sich, einen Moment nachzudenken.
    Sie wussten, wem die Wohnung gehörte, in der die Leiche gefunden worden war. Da genügten ein Anruf beim ehemaligen Besitzer und ein Blick in den Kaufvertrag.
    Sein Herz hämmerte bis in seine Schläfen und machte ihm das ruhige Denken schwer.
    Sollte er das Siegel einfach aufbrechen und in die Wohnung hineingehen? Schließlich gehörte sie ihm, und er wollte unbedingt wissen, was dort drinnen geschehen war. Nein, warte, sagte er sich, noch nicht, du musst erst noch in alle Richtungen denken: Tür und Schloss waren nicht aufgebrochen worden. Das konnte man sehen. Es besaß also noch irgendjemand einen Schlüssel. Entweder ein Nachbar, von dem ihm niemand etwas erzählt hatte, oder der Vorbesitzer hatte einfach noch einen Schlüssel behalten. Manche Menschen hatten Probleme, sich mit allen Konsequenzen und bis ins letzte Detail von ihren Wohnungen oder Häusern zu trennen.
    Oder aber Gianni hatte doch noch gelebt und es irgendwie geschafft, sich zu befreien. Aber würde er dann zur Polizei gehen? Würde er die Schmach ertragen, zu erzählen, was ihm passiert war? – Sicher nicht. Außerdem war es so gut wie unmöglich, aus Handschellen herauszukommen. Das war etwas anderes als ein Strick, der sich im Lauf der Zeit eventuell ein wenig lockerte.
    Vor lauter Nervosität fing Matthias an zu frieren, und er hatte große Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren.
    Stell dir vor, zwang er sich zu denken, stell dir vor, du bist ein ganz normaler Bürger, der noch nie einer Fliege etwas zuleide getan hat. Du warst zwei Monate nicht in Italien, kommst hierher, um einen kleinen Herbsturlaub zu machen, und findest deine Wohnung versiegelt vor. Was tust du?
    Ich würde davon ausgehen, dass während meiner Abwesenheit in meine Wohnung eingebrochen worden ist, überlegte Matthias. Und in diesem Fall würde ich in die Wohnung nicht hineingehen, sondern die Polizei rufen. Denn ich will wissen, was passiert ist, und nicht irgendwelche Probleme bekommen, wenn ich das Siegel ignoriere.
    So weit, so gut.
    Wenn ich allerdings schuldig bin und jemanden in meiner Wohnung ermordet habe, würde ich dann die Polizei rufen? – Ganz bestimmt nicht! Ich würde sehen, dass ich so schnell wie möglich verschwinde. Das, was ich auch im ersten Moment tun wollte.
    Und somit war ihm klar, was er zu tun hatte.
    Er musste die Carabinieri rufen, wenn er, statt sein Leben lang auf der Flucht zu sein, seine herrliche Wohnung irgendwann auch wieder betreten wollte.
    Allmählich wurde er ruhiger. Angriff war immer noch die beste Verteidigung, sagte er sich. Die Situation war alles andere als angenehm, aber es erschien ihm möglich, den Kopf noch einmal aus der Schlinge zu ziehen.
    Neri raste in halsbrecherischem Tempo über die Landstraße nach Montebenichi. Zweimal überholte er äußerst riskant einen Laster, und sein Kollege Alfonso auf dem Beifahrersitz schüttelte nur den Kopf.
    »Wenn du lebensmüde bist, dann bring es hinter dich«, brummte er. »Aber tu es bitte allein, und lass mich vorher aussteigen.«
    Auf der kurvigen Straße hinauf nach Montebenichi musste Neri sein Tempo erheblich drosseln, aber immerhin schaffte er die Strecke in zehn Minuten.
    Neri wusste nicht mehr, was er denken sollte. Der Wohnungseigentümer hatte sich

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