Nachtprinzessin
schlecht wie in den vergangenen drei Monaten. Lügen und Geheimniskrämereien sind ja das Schlimmste überhaupt, und damit mach ich jetzt Schluss.« Er nahm seine Tasse Kaffee und ging zum Fenster. »Ich hab mich verliebt, Thilda. Habe seit ein paar Wochen ein Verhältnis mit einem Mann. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich glücklich, und ich werde mit ihm zusammenziehen. Und darum will ich mich scheiden lassen.«
All dies, was Matthias gesagt hatte, klingelte Thilda in den Ohren, aber noch war sie nicht fähig, ihrer Freundin den Dialog wortwörtlich wiederzugeben, ihr Kopf war wie leer gefegt oder Sekunden später so übervoll, dass sie nicht mehr in der Lage war, ihre Gedanken zu sortieren.
Evi nahm die Sektflasche und ließ den Korken knallen. »Manchmal hab ich es geahnt«, murmelte sie. »Hast du mal drauf geachtet, wie er die Zigarette hält? Immer so mit einer abgeknickten Hand, das sieht irgendwie komisch aus. Aber ich hab mir nicht weiter darüber Gedanken gemacht. Und es ist natürlich erst mal ein Hammer, wenn man das hört. Klar, dass du ziemlich aus den Latschen gekippt bist, aber vielleicht haben wir ja auch einen Grund zu feiern? Es ist alles nur eine Frage der Perspektive.«
»Ich bin völlig durcheinander«, meinte Thilda leise und nahm ihr Glas Sekt dankbar entgegen. »Ich weiß ja noch gar nicht, was aus mir und Alex wird …«
Evi prostete ihr zu. »Immer langsam voran. Die Nacht ist noch lang. Uns wird schon was einfallen.«
Eine Weile war es still in der Küche.
»Weißt du«, begann Thilda plötzlich und suchte nach den richtigen Worten. »Als Matthias mir von diesem Typen erzählte, mit dem er seit drei Monaten ein Verhältnis hat – Dennis heißt der übrigens –, und als er mir von dem was vorschwärmte, ihn in den höchsten Tönen lobte und sich gar nicht mehr einkriegen konnte, wie toll der ist und wie lieb und wie schön und was weiß ich noch alles – das fand ich übrigens ganz schön unverschämt, also ich hätte die Chuzpe nicht, na gut, aber so ist er eben –, da saß ich da wie tot. Alles, was er sagte, prallte an mir ab. Ich kam mir vor wie eine dicke Eizelle, die von lauter Spermien attackiert wird, aber sie schaffen es nicht, die Membran zu durchstoßen. Und auch seine Stimme war ganz weit weg. Ich hab versucht zu kapieren, was er da sagt, und hab die ganze Zeit darauf gewartet, dass es wehtut. Aber es tat nicht weh, Evi, es hat mir nur irgendwie Angst gemacht.«
»Bestens!« Evi grinste. »Das ist genau richtig, Schatz! Und jetzt stell dir mal vor, er würde dich wegen einer anderen Frau verlassen. Würde das wehtun?«
Thilda nickte. »Das würde ich gar nicht aushalten. Ich würde verrückt werden.«
»Siehste. Weil du dann nämlich automatisch das ganze widerliche Vergleichsprogramm abspulst: Was hat sie, was ich nicht habe? Ist sie hübscher, schlanker, jünger? Ist sie vielleicht auch unterhaltsamer, lustiger, mutiger, gebildeter, was weiß ich. Die Liste ist ja endlos. Und wenn du die fertig durchgearbeitet hast, bist du sooo klein mit Mütze.« Evi zeigte mit zwei Fingern einen Spalt, in den gerade mal ein Blatt Papier gepasst hätte. »Und das ist es, was so wehtut. Die Männer gehen fremd und lassen einen als Häufchen Elend zurück. Und dann brauchst du drei Jahre, um dich langsam wieder aufzubauen und neu zu erfinden. Und das entfällt in diesem Fall ja komplett.«
Thilda malte mit dem Zeigefinger Achten auf die Tischplatte und hörte ihrer Freundin stumm zu. Evis Analysen waren drastisch und manchmal auch nicht leicht zu ertragen, aber letztlich kamen sie immer auf den Punkt.
»Dieser ganze Irrsinn hat überhaupt nichts mit dir zu tun«, fuhr Evi fort. »Mit einem Kerl kannst du dich nicht vergleichen. Du könntest eine Mischung aus Claudia Schiffer, Sophia Loren und der Jungfrau Maria sein – er würde es gar nicht merken, und das würde deine Chancen um keinen Deut erhöhen. Weil er sich eben nur für Männerärsche interessiert. Und das Gute ist, dass du es jetzt endlich weißt und dir nicht stundenlang den Kopf darüber zerbrechen musst, warum er mehr mit seinem Maklerquatsch verheiratet ist als mit dir. Und warum er nach Feierabend wie vom Erdboden verschluckt ist.«
»Stimmt. Da ist was dran.«
»Und jetzt versuche doch mal, ihn dir mit einem Kerl im Bett vorzustellen. Geht das? Oder ist das zu schlimm?«
Thilda überlegte und trank ihr Glas Sekt in einem Zug aus. »Das geht schon – ansatzweise jedenfalls – aber …« Sie
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