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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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gebaut, du ! Pass auf, was du tust, mein Freund, verstehst du? Wir hören wieder!« Damit legte Tarkan auf.
    Am liebsten wäre Alex aufgesprungen und hätte seine Wut an seinem Punchingball ausgetobt, der gleich neben der Eingangstür hing, aber mit seinem kaputten Bein hatte er keine Chance.
    Er hielt es in seinem Bett, in seinem Loft nicht mehr aus. Er musste raus. Ganz egal, wie er sich fühlte, auch wenn sein Bein immer noch bei jeder Berührung schmerzte.
    Er rollte sich von der Matratze, zog sich mühsam hoch und ging ins Bad. Das warme Wasser funktionierte nicht, aber das war ihm egal. Er duschte kalt, putzte sich mit eiskaltem Wasser die Zähne und zog sich an. Da er keine Lust hatte, irgendetwas zu essen oder zu trinken, verließ er bereits eine Viertelstunde später die Wohnung und fuhr ins Hotel, um zu arbeiten.
    Weil er nichts anderes hatte als seine Arbeit und weil er nichts anderes tun konnte, wenn ihm zu Hause die Decke auf den Kopf fiel.
    Als Jürgen ihm um dreiundzwanzig Uhr mitteilte, dass seine Mutter mit einer Freundin im Restaurant saß und noch eine Kleinigkeit essen wollte, hatte er schon sieben Stunden auf dem Buckel. Sein Bein fühlte sich an, als würde es platzen und durch das lange Stehen den Gips sprengen. Die Schmerzen machten ihn wahnsinnig, jeder Schritt wurde zur Qual. Und jetzt saß da draußen auch noch seine Mutter. Hundertmal hatte er sie gebeten, nicht zu kommen. Nicht in die Läden, in denen er arbeitete. Es war ihm peinlich.
    Von seinem Chef kein Ton des Dankes, dass er trotz seiner Krankschreibung bei der Arbeit erschienen war, nur ein knappes »Wird auch Zeit« und »Mach hinne, wir haben Spargel auf der Karte«.
    Spargel. Es gab kein Gemüse, das arbeitsaufwendiger war und das er mehr hasste.
    Bisher hatte er noch keine Pause gemacht. Hatte kein Frühstück gehabt und bis jetzt keinen Bissen gegessen und keinen Schluck getrunken. Er hatte das Gefühl, wie fast jeden Abend, im nächsten Moment umzufallen. Und natürlich hatten die beiden Damen Spargel bestellt. Zehn Minuten bevor die Küche geschlossen wurde.
    Wie so oft war er den Tränen nahe. Sein erster halber Arbeitstag, denn normalerweise arbeitete er vierzehn Stunden ohne Pause, und schon jetzt konnte er nicht mehr.
    Das Restaurant leerte sich, und knapp vierzig Minuten später setzte er sich zu seiner Mutter und ihrer Freundin an den Tisch.
    »Hei, Mum, hallo, Evi«, sagte er knapp. »Lange nicht gesehen. Gibt’s dich auch noch?«
    »Wie du siehst!« Evi grinste und war über den unhöflichen, barschen Ton keinesfalls schockiert.
    »Was wollt ihr hier?«, schnauzte er so leise wie möglich, damit niemand seiner Kollegen mithören konnte. »Gibt es in Berlin keine Restaurants, wo man um diese Zeit noch etwas zu essen kriegen kann? Muss es unbedingt hier sein?«
    »Ich hab dich nicht erreicht«, sagte Thilda flüsternd. »Und da wollte ich sehen, ob du vielleicht doch wieder arbeitest. Dass Evi bei mir ist, ist reiner Zufall.«
    »Ja, ich arbeite wieder. Das wär’s dann also, oder ist noch was?« Es war ihm verdammt unangenehm, hier in seiner Kochuniform bei seiner Mutter am Tisch zu sitzen, und er wusste auch nicht, ob es erlaubt war. Mit großer Wahrscheinlichkeit würde sein Chef wieder einen Tobsuchtsanfall bekommen.
    »Ich muss wieder rein.«
    »Wie lange machst du noch?«
    »Keine Ahnung. Zwei Stunden? Drei Stunden? Kommt drauf an, was noch anfällt und was noch für morgen früh vorzubereiten ist.«
    »Wann kann ich dich morgen erreichen?«
    »Gar nicht. Ich fang hier um acht an. Und dann open end. Vor Mitternacht bin ich bestimmt nicht fertig.«
    »Das sind ja wieder sechzehn Stunden! Alex, das geht nicht! Und wenn du heute noch bis zwei machst … und um acht wieder hier sein musst?«
    »Dann kann ich vor der Doppelschicht noch drei Stunden pennen. Wunderbar.«
    »Das ist gegen jede Bestimmung!«, schaltete Evi sich ein. »Vollkommen ungesetzlich.«
    »Tja. Aber so ist das eben. Da kann man nichts machen.«
    »Natürlich kann man da was machen! Ihr braucht es euch bloß nicht gefallen zu lassen.«
    »Ach, was weißt du denn?«, zischte Alex. »Du hast ja keine Ahnung! Nicht den blassesten Schimmer! Wenn wir uns stur stellen, fliegen wir. Auf der Stelle! Und zwei Stunden später sind neue Leute hier. Köche gibt’s wie Sand am Meer. In jedem Knast werden die zu Hunderten ausgebildet. Wenn man irgendwann mal was erreichen und vielleicht Küchenchef werden will, muss man da durch.« Er wandte sich ab.

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