Nachtprinzessin
zögerte.
»Dir wird schlecht.«
»Ein bisschen schon.« Jetzt musste auch Thilda grinsen.
»Wunderbar. Alles richtig. Denn der allerallerallerschlimmste Vergleichspunkt mit der Konkurrentin ist ja: Ist sie im Bett besser als ich? Du kannst es gar nicht vermeiden, minutiös und detailliert in Gedanken alles durchzugehen, was ihr miteinander exerziert habt, und bei jeder Erinnerung legst du noch ’ne Handvoll Perversionen mit drauf, weil du glaubst, dass die andere sie mit Wonne praktiziert. Denn im Grunde deiner Seele bist du davon überzeugt, dass sie natürlich um Klassen besser im Bett ist und er dich nur deswegen verlassen hat. – Süße, das hält man nicht aus. Wenn du mit dem Programm anfängst, bist du reif für die Klapse. Aber auch das entfällt in diesem Fall. Darum kannst du dir auch die eine oder andere Spielart zwischen Matthias und ’nem Kerl vorstellen, ohne den Verstand zu verlieren. Also Fazit: Willkommen im Club der Geschiedenen, heute Nacht beginnt für dich ein neues Leben. Es wird wunderbar werden, Thilda, davon bin ich überzeugt, denn etwas Besseres als einen schwulen Gatten findest du allemal.«
Sie redeten noch über zwei Stunden und leerten dabei zwei Kannen Kaffee und zwei Flaschen Sekt. Dennoch fiel Evi um Viertel nach sechs vor Müdigkeit fast vom Stuhl und ging ins Bett.
Thilda blieb in der Küche sitzen. Sie war immer noch hellwach und überzeugt davon, nie wieder in ihrem Leben tief und traumlos schlafen zu können, denn sie konnte nicht aufhören, an dieses Phantom »Dennis« zu denken, den sie nicht kannte, aber der in ihrer Fantasie immer deutlichere Konturen annahm. Für sie war er groß, blond, muskulös. Einfach ein schöner Mann. Sie sah ein diffuses Bild von Dennis, der Matthias lächelnd ansah und ihm seine rechte Hand entgegenstreckte.
Matthias erwiderte sein Lächeln nicht, sondern blickte ihm ernst in die Augen. »Ich liebe dich«, sagte er leise und deutlich, während er ihm den goldenen Ring über den Finger schob. Und dann küsste er ihn.
Thilda versuchte an etwas anderes zu denken, aber es gelang ihr nicht. Dieses Bild überlagerte jeden Gedanken und war schuld daran, dass sie nicht schlafen konnte. Der Schmerz kam und wurde immer schlimmer. Sie hätte es gern Evi erzählt, aber Evi schlief tief und fest. Thilda hörte ein leises Schnarchen. Bei Evi immer ein Zeichen, dass sie übermüdet oder betrunken war.
Heute Nacht war sie beides.
Matthias von Steinfeld, dachte sie, Vater meines Sohnes und ein unbefriedigtes, unerfülltes Kapitel meines Lebens, unter das ich heute den Schlussstrich ziehe.
Adieu und leb wohl.
Allmählich wurde sie ruhig. Die Angst fiel von ihr ab, und sie weinte sich endlich in den Schlaf.
Zehn Monate später wurden Matthias und Thilda geschieden.
»Ich habe es kommen sehen«, meinte Henriette lapidar zu Matthias. »Sie hat nie begriffen, was sie an dir hatte.«
Die Familie derer von Dornwald verzichtete auf jeglichen Kommentar.
Thilda nahm ihren Mädchennamen wieder an und zog zusammen mit Alex in eine Vierzimmerwohnung in der Nähe ihrer Boutique.
Das alles war jetzt zehn Jahre her. Es war schade, dass sie Evi danach einfach aus den Augen verloren hatte, aber umso mehr freute sie sich jetzt auf das Wiedersehen.
26
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Das Telefon klingelte. Er schreckte hoch wie aus einem schrecklichen Albtraum und wusste weder, wo er war, noch, ob es morgens oder abends war. Schweißnass und schwer atmend, robbte er von seiner Matratze über die kalten Dielen bis zum Telefon, das unter dem Tisch stand, neben leeren Bierflaschen und zerknickten, fettigen Pizzakartons.
»Ja?«, hauchte er und musste husten.
»Hallo«, sagte eine kratzige, rauchige Stimme. »Hier ist Tarkan. Hörst du misch?«
»Verdammt, ich penne noch.«
»Es is’ halb drei, verdammt.«
»Na und? Was ist?«
»Leyla ist weg.« Tarkan machte eine bedeutungsschwere Pause. »Verstehst du? Weg!«
»Ich verstehe kein Wort.«
»Sie ist nischt mehr in Berlin. Vater hat sie in Türkei ge schickt. Alle wissen, warum. Urlaub wird das nischt. Weißt du? Das ist schlimm für sie. Keiner weiß, was sie machen mit ihr.«
Alex hatte zwar einen dicken Kopf, aber er begriff sofort. Leylas Onkel waren in der Türkei, sie wussten, dass sich Leyla unehrenhaft verhalten hatte. Sie würden versuchen, die Ehre der Familie wiederherzustellen. Vielleicht wurde sie zwangsverheiratet. Alex’ Herz krampfte sich zusammen.
»Verdammte Scheiße.«
»Kannst du wohl sagen. Aber du hast Scheiße
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