Nachtprinzessin
reservierten, waren das Einzige, wofür er noch lebte. Wenn er allein war, war er wie gelähmt und fieberte dem nächsten Wiedersehen entgegen. Es war ihm egal, ob es Tag oder Nacht, Vormittag oder Nachmittag war, er rechnete nur in den Intervallen, die er auf Dennis warten musste. Und versuchte irgendwie, sich zu beschäftigen. Das war das Allerschwierigste, weil ihn nichts und niemand mehr interessierte.
Und wenn sie sich trafen, weinte er vor Glück.
Dann lächelte Dennis, nahm ihn in den Arm und sagte: »Was bist du doch für ein riesengroßer Kindskopf, und was machst du dir bloß für unnötige Sorgen. Ich werde nie wieder weggehen, ich bleibe bei dir, da kannst du sicher sein.«
Zwei Monate nach ihrer ersten Begegnung redete er mit Thilda, sieben Tage später zogen Thilda und Alex aus. Dennis kam noch am selben Abend.
»Jetzt haben wir es geschafft«, jubelten sie. »Jetzt trennt uns nichts mehr.« Und sie tanzten durch die Wohnung wie fünfzehnjährige Mädchen, die eine Konzertkarte für einen lange umschwärmten Popstar ergattert hatten.
Es begann eine grandiose Zeit.
Wenn Dennis frei oder Urlaub hatte, regelte er Matthias’ Leben. Er buchte gemeinsame Reisen, kaufte ein, kochte oder bestellte den Tisch im Restaurant. Er scheuchte Matthias’ zum Zahnarzt, animierte ihn zum Sport, suchte die Filme aus, die sie sich gemeinsam ansahen, und überraschte ihn mit Opern- oder Theaterkarten. Dennis ließ italienische Rotweine liefern und sang Shanties, wenn er betrunken war. Er kümmerte sich um Matthias’ Steuererklärung, bezog die Betten neu und brachte den Wagen in die Werkstatt. Er erledigte die Post und verführte Matthias um Mitternacht bei Kerzenschein nach einem opulenten Mahl. Nachts schlief er höchstens sechs Stunden, war stets unverschämt gut gelaunt und brachte seinem Liebsten morgens den Kaffee ans Bett.
Dennis war ein Phänomen, und Matthias liebte ihn von Tag zu Tag mehr.
»Ich möchte dich heiraten.«
Es war Matthias’ achtunddreißigster Geburtstag. Dennis hatte Matthias zum Essen bei einem kleinen, aber feinen Italiener in Charlottenburg eingeladen. Er war den ganzen Tag ungewöhnlich schweigsam gewesen, wirkte sehr nachdenklich.
Zum Aperitif bestellten sie wie immer Champagner, ihr Lieblingsgetränk, das sie sich aber nicht oft leisteten.
Als die gefüllten Gläser vor ihnen standen, sagte Dennis diesen Satz: »Ich möchte dich heiraten.« Er wirkte ruhig und überlegt, und Matthias sah ihm deutlich an, dass dies keine spontane Äußerung gewesen war.
Und dann ließ er einen schmalen, silbernen Ring in Matthias’ Glas fallen.
Quälende Sekunden drehte Matthias sein Glas zwischen den Fingern und fixierte den Champagner, der um das Edelmetall herum verstärkt perlte. Sein Herz schlug bis zum Hals. Und dann sah er Dennis an.
»Ja, ja, ja!«, presste er hervor, bis ihm die Luft wegblieb. »Ja, ich möchte dich auch heiraten. Etwas Schöneres kann ich mir im Leben nicht vorstellen.«
Matthias trank seinen Champagner aus und fischte den Ring aus dem Glas. Dennis nahm Matthias’ Hand und steckte ihm den Ring an. Dann holte er das Pendant aus seiner Jackentasche, das ihm Matthias auf den linken Ringfinger schob.
»Prinzessin, ich liebe dich.«
»Mein Prinz, ich liebe dich auch.«
Um ein Uhr waren sie zu Hause. Sie hatten eine Flasche Champagner, zwei Flaschen Rotwein und sechs Grappa getrunken, und Matthias musste sich am Treppengeländer festhalten, um nicht zu schwanken oder den Halt zu verlieren.
Im Wohnzimmer zog er die Schuhe aus, sank aufs Sofa und stöhnte: »Sorry, Dennis, es war ein wundervoller Abend, aber ich kann nicht mehr. Lass uns ins Bett gehen.«
»Moment.« Dennis platzte vor Energie, und Matthias wusste, dass der Abend für ihn jetzt erst begann. Morgen hatte er frei und würde jetzt weitertrinken und kein Ende finden.
Dennis drehte die Stereoanlage auf und tanzte zur Musik von Queen. »Komm«, schrie er. »Sei kein Spielverderber, heute ist dein Geburtstag und unser Verlobungstag! Das müssen wir feiern! Ich habe mich noch nie so großartig gefühlt!«
Damit riss er Matthias an sich und wirbelte mit ihm durchs Zimmer. Matthias wurde übel.
»Entschuldige, Dennis«, stotterte Matthias. »Ich kann wirklich nicht mehr, mir geht’s nicht gut, ich muss ins Bett. Blöd, dass ich mich gerade an einem Abend wie heute nicht gut fühle, aber das ist ja nicht zu ändern. Andererseits haben wir noch unser ganzes Leben vor uns und jede Zeit der Welt für viele,
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