Nachtprinzessin
viele tolle Abende.«
Er ging zu ihm, nahm ihn in den Arm, schlabberte und schleckte ihm das Ohr, denn er wusste, dass Dennis das ganz besonders gern hatte und meist zu schnurren begann wie ein alter Kater.
Dennis küsste ihn. »Schon gut. Leg dich hin. Ich höre noch ein bisschen Musik.«
Damit verschwand Matthias im Bad. Aus den Augenwinkeln sah er noch, wie Dennis die Kopfhörer aufsetzte und eine Flasche Whisky vom Regal nahm.
Matthias erwachte um kurz nach acht. Die Morgensonne schien ins Zimmer, und er fröstelte, weil er sich abgedeckt und seinen Rücken entblößt hatte. Ohne die Augen zu öffnen, rollte er sich auf die Seite, um zu Dennis unter die Decke zu schlüpfen und sich aufzuwärmen, aber die Decke lag immer noch zusammengefaltet auf der anderen Seite des Bettes.
Dennis war nicht da.
Völlig unmöglich, dass er bereits aufgestanden war. Erstens liebte er es – genauso wie Matthias – lange zu schlafen, und zweitens hätte er das Bett nicht säuberlich gemacht, wenn er nur auf die Toilette oder in die Küche gegangen wäre.
Dennis hatte in dieser Nacht überhaupt nicht im Bett geschlafen.
Die Angst krampfte sich um Matthias’ Herz wie eine eiskalte Hand.
Er sprang aus dem Bett und lief barfuß direkt ins Bad. Dort war er nicht.
Im Flur war es totenstill. Auch aus der Küche oder dem Wohnzimmer hörte er keinen Laut.
Er lief nicht mehr, sondern schlich auf Zehenspitzen. Fürchtete sich in seiner eigenen Wohnung.
Und dann sah er ihn. Er lag auf der Couch, der Mund weit offen, Erbrochenes klebte an Wangen, Kinn und auf der Brust, sein Hemd war besudelt von Alkohol und bereits durchgekautem Speisebrei. Die Arme hingen schlaff herunter, seine Füße waren merkwürdig verdreht, als hätte er im Moment des Todes noch Krämpfe bekommen.
Dennis’ Anblick war so grauenvoll, so abgrundtief hässlich und abstoßend, so erschreckend und widerwärtig, dass Matthias nicht glauben konnte, was er sah. Er starrte seine große Liebe an, die nur noch eine verdreckte Todesfratze war.
Er ist es nicht, hämmerte sein Gehirn, er kann es nicht sein. Lass dich jetzt durch diesen Horror nicht verrückt machen. Geh unter die Dusche, und wenn du dann wiederkommst, ist alles in Ordnung. Du träumst nur. Dennis lebt. Dennis kann gar nicht tot sein.
Wer liebt, stirbt nie. Das hatte er vor Jahren mal in irgendeinem Schlager gehört und es im Grunde seines Herzens immer als Wahrheit akzeptiert.
Wer liebt, stirbt nie.
Zaghaft ging er zu Dennis und nahm seine Hand so vorsichtig in die seine, als könnte sie zerbrechen. Sie war eiskalt.
Matthias kniete nieder und strich ihm übers Haar. »Wach auf, Liebster, bitte, bitte, wach auf und sieh mich an!«
Aber Dennis rührte sich nicht.
Er drückte seine Lippen auf Dennis’ verschmierten Mund, aber da war nicht der Hauch eines Atems.
Matthias begann ihn zu streicheln. Dann zu massieren. Über eine Stunde lang.
Und erst dann begriff er allmählich, dass da nichts mehr zu machen war.
Es war später Vormittag, als er den Notarzt rief.
Sein Hals schmerzte, und seine Stimme war rau und klang fremd.
Er konnte nicht weinen, und sein Mund war vollkommen ausgetrocknet, wie ein Flussbett in der Wüste, in dem es nie wieder Leben geben würde.
Die Prinzessin hatte ihren Prinz verloren.
»Prego, Signor«, sagte Adriano leise und goss unendlich langsam und vorsichtig den sündhaft teuren Brunello, den Matthias bestellt hatte, aus der Flasche in den Dekanter. Er ließ ihn ausgiebig kreisen, schüttete etwas davon zurück in ein Glas, probierte selbst und ließ den Wein erneut kreisen. Und dabei sah er Matthias an.
Ihre Blicke trafen sich. Dass Adriano nicht verlegen wegsah, wunderte Matthias, und es schien ihm ganz und gar nicht unangenehm zu sein, denn er lächelte und wandte sich dann erst ab. Dabei schwang er die linke Hüfte zur Seite, um nicht an die Tischkante zu stoßen, aber Matthias war sich sicher, dass der Hüftschwung ihm gegolten hatte.
Es machte ihn sicherer. Das Spiel begann.
Die ganze Zeit hatte er nicht darauf geachtet, jetzt bemerkte er, dass Albano als Hintergrundmusik lief, der mit hoher Stimme Liebeslieder sang.
Ein Ragazzo knatterte mit einer ohrenbetäubend lauten Vespa am Restaurant vorbei, fuhr noch ungefähr fünfzig Meter, drehte um und knatterte wieder vorbei. Der Krach überlagerte alles, machte jedes Gespräch unmöglich, die Musik ging völlig unter. Auf diese Art und Weise nervte der junge Mann, den Matthias nicht älter als siebzehn
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