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Nachtprogramm

Nachtprogramm

Titel: Nachtprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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aufgeschnappt, der im gleichen Atemzug erklärt hatte, Kathy könne keine weiteren Kinder bekommen. »Ihr Herz sei zu schwach, hast du so einen Stuss schon mal gehört?« Seine neue Stimme meldete sich vorübergehend ab. »Und dann kommt er Mama D. auch noch damit, als sie am Tropf hängt und sowieso schon halb tot vor Angst ist. Ich hab ihm nur gesagt: ›Leck mich, Scheißkerl, mit deinen klugen Sprüchen vom Pakistani-College. Ich hole mir einen Spezialisten.‹«
    »Weißt du«, sagte ich, »dass sie im neunzehnten Jahrhundert den Frauen zum Abpumpen Hundewelpen an die Brust gelegt haben?«
    Paul sagte nichts.
    »Ich dachte nur, es wäre ein hübsches Bild«, sagte ich.
    Er stimmte mir zu, aber seine Gedanken waren anderswo bei seiner kranken Frau, dem Baby, das er ganz allein versorgen musste, und dem zweiten Kind, das sie sich gewünscht hatten und nun nie haben würden. »Hundewelpen«, sagte er. »Ich wette, die könnten dir den Arsch abpumpen.«
    Zwei Wochen nach der Geburt des Babys flog ich nach Raleigh, wo mich mein Vater mit einer halben Stunde Verspätung am Flughafen abholte. Er war unrasiert und konnte keins seiner achtzig Jahre verheimlichen. »Entschuldige, dass ich etwas neben der Spur bin«, sagte er. »Ich bin nicht ganz fit, und es hat eine Weile gedauert, bis ich meine Medizin finden konnte.« Er hatte offenbar eine leichte Erkältung und nahm dagegen ein Antibiotikum, das der Tierarzt seiner Dänischen Dogge verschrieben hatte. »Pillen sind Pillen«, sagte er, »ob nun für einen Hund oder einen Menschen, ist doch alles das gleiche verdammte Zeug.«
    Ich fand das lustig und erzählte es später meiner Schwester Lisa, die im Gegensatz zu mir nichts Humorvolles darin entdecken konnte. »Ich finde es furchtbar«, sagte sie. »Wie soll es Sophie denn besser gehen, wenn Dad ihre Medizin nimmt?«
    Neben einem fleckigen T-Shirt trug mein Vater eine zerrissene Jeans und eine Baseballkappe mit dem Schriftzug einer Heavy Metal Band. Als ich ihn darauf ansprach, zuckte er nur die Schultern und sagte, er hätte sie auf einem Parkplatz gefunden.
    »Meinst du, Kathys Vater würde wie ein Roadie von Iron Maiden herumlaufen?«, fragte ich.
    »Ist mir scheißegal, wie der rumläuft«, sagte mein Vater.
    »Meinst du, wenn er krank ist, rennt er zur nächsten Tierapotheke und holt sich irgendwelches Zeug?«
    »Wahrscheinlich nicht, aber wen zum Teufel interessiert das?«
    »Ich frag ja nur.«
    »Und du«, sagte mein Vater, »glaubst du etwa, du gewinnst die Medaille für den liebsten Onkel, wenn du dich in Frankreich verkriechst und mit deinem hübschen Freund Pfannkuchen vernaschst?«
    »Pfannkuchen?«
    »Ach, was weiß ich, wie die heißen«, sagte er »Crepes.« Er zog den Wagen vom Straßenrand und rückte mit der freien Hand seine riesige Brille zurecht, die er in den Siebzigern gekauft und kürzlich in einer Schublade wiederentdeckt hatte. Auf der Fahrt zu Pauls Haus erzählte ich ihm eine Geschichte, die ich auf irgendeinem Flughafen aufgeschnappt hatte. Eine junge Mutter war mit zwei Fläschchen abgepumpter Muttermilch beim Sicherheitscheck festgehalten und aufgefordert worden, beide Flaschen zu öffnen und daraus zu trinken.
    »Das glaubst du doch selbst nicht«, sagte mein Vater.
    »Und ob«, sagte ich. »Es ist wahr. Sie wollen sicherstellen, dass man auf keinen Fall Gift oder irgendwelchen Sprengstoff an Bord schmuggelt. Samenspender nehmen inzwischen lieber den Greyhound.«
    »Es ist eine widerliche Welt«, sagte er.
    Vorschläge, wie man diese widerliche Welt verbessern könnte, finden sich zuhauf auf seiner Stoßstange. Mein Vater und ich vertreten politisch unterschiedliche Richtungen. Wenn ich mit ihm im Auto fahre, rutsche ich möglichst tief in den Sitz, aus Scham, in einem Fahrzeug gesehen zu wer den, das meine Schwestern und ich Bushmobil getauft haben. Es ist, als wä re man wieder Kind. Dad hinterm Lenkrad und ich so tief in meinem Sitz, dass ich nicht aus dem Fenster sehen kann. »Sind wir bald da?«, frage ich. »Ist es hier?«
    Madelyn schlief bei unserer Ankunft, und Paul, mein Vater und ich stan den um das Kinderbett und bewunderten sie mit flüsternden Stimmen. Eine sagte, sie käme genau nach meiner Mutter, aber für mich sah sie einfach nur aus wie ein Säugling, nicht die knuddeligen Dinger, die man in der Windelwerbung sieht, sondern eher die rohe, zerknitterte Sorte, die verbitterten alten Männern ähnelt.
    »Das ändert sich, wenn die Haare kommen«, sagte Paul. »Einige

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