Nachtraeglich ins Glueck
...“
„Mein Guru war einfach phantastisch, Dr. Richards! Ich bin außerordentlich glücklich, dass er mir diesen Namen gab, denn Sie müssen wissen, dass ich mich in einem seelischen Zwiespalt befand, nachdem ich erfahren hatte, dass ich im Mittelalter als Henker in London gearbeitet hatte. Glücklicherweise war mein Karma rein, sonst wäre ich sicherlich in der dritten Welt wiedergeboren worden und müsste nun für zehn Cent am Tag Teppiche knüpfen!“
Ein weiteres Mal drang ein erstickter Laut aus Sam s Mund heraus. Seit geschlagenen zehn Minuten erzählte ihr Marsha Armstrong von ihrer Wiedergeburt, ihren früheren Leben und der Unvernunft ihres Mannes, sich nicht auch zurückführen zu lassen, obwohl sie befürchtete, dass sie beide in einem früheren Leben einmal Todfeinde gewesen wären. Ihrer Ansicht nach benötigten sie daher eine Chakra-Reinigung, damit sich ihre Seelen miteinander verbinden könnten.
Sam konnte sich nur annähernd ausmalen, was im Hause Armstrong vor sich ging, und hatte Mitleid mit der dreijährigen Caroline und dem armen Ehemann der wiedergeborenen Henkerin aus England. Das einzig Gute an Marshas Besuch in Sams Praxis lag in der Ablenkung von ihren eigenen Problemen. Solange Marsha von ihrer Reinkarnation sprach und darauf bestand, Caroline auf Herz und Nieren zu untersuchen, musste Sam nicht an Drews vorgestrigen Überfall auf dem Parkplatz des Supermarkts denken.
Sie wusste einfach nicht, wie sie zu ihm durchdringen sollte, denn er ging davon aus, dass sie ein furchtbarer Mensch war, der sein eigenes Kind im Stich gelassen hatte. Ihre Mutter hatte ganze Arbeit geleistet, dachte Sam unglücklich, denn Drew hatte ihre Geschichte geschluckt und würde sich sicherlich nicht mehr so einfach davon abbringen lassen. Doch Sam hatte sich in den Kopf gesetzt, mit Drew zu reden und ihn zu überzeugen, dass sie ihn und Mattie niemals verlassen hatte. Er musste einsehen, dass sie ihr Baby niemals freiwillig hergegeben hätte! Zwar wusste Sam nicht, wie sie dies anstellen sollte, aber sie hatte sich geschworen, nichts unversucht zu lassen.
Gerade als sie ihre Aufmerksamkeit wieder der kleinen Caroline schenkte und Marsha nur mit einem Ohr zuhörte, wurde ihre Tür aufgerissen und knallte anschließend gegen die frisch gestrichene Wand.
Erschrocken drehte Sam den Kopf nach rechts und sah Drews kreidebleiches Gesicht, während er in das Untersuchungszimmer stürmte und Mattie auf den Armen trug. Hinter ihm eilte Michelle in den Raum.
Eilig hob sie Caroline hoch und drückte sie ihrer Mutter in die Arme. „Was ist passiert?“
„Er ist aus seinem Baumhaus gefallen“, würgte Drew hervor und schaute sie hilflos an. „Ich ... ich war in der Küche ...“
„Schon gut“, beruhigte sie ihn und wandte den Blick von seinen ängstlichen braunen Augen ab, um Mattie anzuschauen, der erschreckend still in Drews Armen lag und seinen Arm an den Körper presste.
„Hallo, Schatz“, sie schluckte hart und schenkte ihm ein Lächeln, während sie Drew bedeutete, Mattie auf die Liege zu legen.
Man sah Drew an, dass er mit sich kämpfte, seinen Sohn loszulassen, als er ihn vorsichtig auf die Untersuchungspritsche bettete und nah bei ihm stehen blieb.
„Michelle, könntest du Marsha bitte nach draußen bringen und anschließend das Röntgengerät anstellen?“
„Natürlich.“
Sam ignorierte Marsha, die sich von ihr verabschieden wollte, sondern konzentrierte sich allein auf ihren Sohn, der genauso bleich wie sein Vater vor ihr lag und sie ängstlich ansah. Er hatte eine Platzwunde an der Stirn, seine Kleidung war zerrissen und den Arm hielt er in einer unnatürlichen Position am Körper. Außerdem bebten seine Lippen unkontrolliert.
„Dann wollen wir uns das einmal anschauen“, erklärte sie ruhig und merkte, dass auch ihre Stimme zitterte. „Wo tut es dir denn weh?“
„I ... i ... ich weiß n ... nicht.“
„Alles ist okay, Schatz“, erwiderte sie beruhigend und leuchtete mit einer kleinen Taschenlampe in seine Augen. „Kannst du dich erinnern, wie das passiert ist, Mattie?“
Er schüttelte den Kopf.
Vorsichtig tastete sie seinen Bauch ab, konnte jedoch glücklicherweise kein Anzeichen von inneren Verletzungen entdecken. Nichtsdestotrotz wollte sie noch eine Ultraschalluntersuchung machen, um auf Nummer sicher zu gehen. Als sie seinen Arm berühren wollte, zuckte er sofort zurück.
„Tut dir der Arm weh, Mattie?“
Der Junge nickte und presste tapfer die Lippen zusammen. Sam
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