Nachtraeglich ins Glueck
seufzend räkelte er sich ein wenig. „Zuhause stecke ich ihn gleich ins Bett ...“
„Er soll jedoch nicht schlafen“, wies sie ihn sofort an. „Wegen der Gehirnerschütterung ist es besser, wenn er in den nächsten Stunden nur döst. Du musst ihn alle halbe Stunde aufwecken.“
Drew stöhnte. „Wunderbar ... hast du das gehört, Mattie? Heute Nacht werden wir keinen Schlaf bekommen.“
Mattie protestierte benommen.
„Das muss leider sein.“
„Ich weiß“, Drew beschrieb kleine Kreise auf Matties Rücken. „Er ist nur eine absolute Schlafmütze und wird schnell quengelig, wenn er müde ist.“
Sam räumte alle Materialen beiseite, nachdem sie die Gipsschiene angebracht hatte, und rutschte auf ihrem Hocker ein wenig zurück. Die ganze Zeit so nah vor Drew gesessen und seine Blicke auf ihrem Scheitel gespürt zu haben, hatte sie nur nervöser gemacht. Etwas Abstand war da ganz gut.
„Michelle gibt dir gleich Schmerzmittel für Mattie mit.“ Sie zögerte. „Ich würde gerne heute Abend vorbeischauen ...“
„Sam.“
Sie schluckte und blickte in seine braunen Augen. „Er hat eine Gehirnerschütterung und sollte beobachtet werden. Ich will nur vorbeikommen, um nach ihm zu sehen, Drew.“ Ihr Blick fiel auf den erschöpften Jungen, dessen Kopf an seiner Schulter ruhte.
Drew war anzusehen, dass ihr Besuch ihm nicht passte, dennoch nickte er – wenn auch widerwillig.
11. Kapitel
Sam trug ihre Arzttasche wie ein Schutzschild vor sich, als sie vor Drews Haustür stand und darauf wartete, dass er ihr öffnete. Erst vor drei Stunden hatte sie ihn angerufen, um sich nach Mattie zu erkunden. Anscheinend war Drew da schon wieder Herr seiner Sinne gewesen, weil er sie unfreundlich angeraunzt hatte.
„Das ändert nichts, Sam, gar nicht s.“
Sam war es ziemlich egal, ob sie Nutznießerin von Matties Unfall war, denn wenigstens hatte sie so die Möglichkeit, ihn zu sehen und sich ein wenig um ihn zu kümmern, wenn sie dies schon in den vergangenen fünf Jahren nicht hatte tun können.
Als sie hinter der Fliegentür seine Silhouette erkannte und seine Schritte hörte, machte ihr Herz einen Satz. Ängstlich und aufgeregt zugleich schaute sie in sein Gesicht, das ihr unfreundlich entgegensah, als er die Fliegentür einen Spalt öffnete.
„Da bist du.“
„Da bin ich“, erwiderte sie wenig geistreich und legte den Kopf zurück, um in Drews finsteres Gesicht zu blicken.
Er machte anfangs keine Anstalten, sie ins Haus zu lassen, bis er mit einem grollenden Ton die Tür weiter aufschob und einen Schritt zur Seite machte. Anders als heute Mittag trug er ein Paar alte Jeans und ein blaues Polo-Shirt. Blau war schon früher seine Lieblingsfarbe gewesen. Sie erinnerte sich, wie sie einmal tagelang von Geschäft zu Geschäft gerannt war, um eine blaue Pulsuhr zu finden, die sie ihm zum Geburtstag geschenkt hatte. Sam hätte zu gerne gewusst, ob er sie noch besaß oder längst entsorgt hatte.
„Komm rein.“
Zögernd trat Sam ins Haus hinein und blieb einen Moment im Flur stehen, um sich umzuschauen. Zwar herrschte kein Chaos in der unteren Etage, aber sie konnte sofort sehen, dass hier ein Kind wohnte. Auf den Treppenstufen stand Spielzeug, an den Wänden hingen eingerahmte Kinderfotos von Mattie sowie Buntstiftzeichnungen und am Türrahmen zum Wohnzimmer war notiert worden, wann er wie groß gewesen war.
Die Kinderfotos zogen sie magisch an. Mit einem Kloß im Hals trat sie näher und betrachtete einen ungefähr einjährigen Mattie in der Badewanne.
„Sam ...“
Ihre Finger umklammerten die Griffe ihrer Tasche. Gleichzeitig kämpfte sie gegen ein Würgegefühl in ihrer Kehle an. Sein schroffer Ton war beinahe zu viel.
„Lass mich, Drew.“
„Du wolltest vorbeikommen, um nach Mattie zu schauen, also tu das auch.“
Mit zusammengepressten Lippen drehte sie den Kopf in seine Richtung und erntete lediglich einen düsteren Blick. Langsam wurde ihr die ständige Anklage zu viel und sie hatte das Bedürfnis, sich zu verteidigen.
„Denkst du wirklich, dass es mir nichts ausmacht, seine Babyfotos zu sehen? Willst du mir nicht einmal das zugestehen?“
Seine Kieferpartie verhärtete sich, während seine Augen wütend aufblitzten. „Ich würde dir nicht einmal diesen Besuch zugestehen, aber da du hier die einzige Kinderärztin bist, bleibt mir nichts anderes übrig.“
Sam holte tief Luft. „Wenn du mir zuhören würdest, Drew, würdest du verstehen, weshalb ich in den letzten
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