Nachtruf (German Edition)
Ordnung ist? Sie scheinen etwas … aus der Fassung zu sein.“
„Ich musste nur mal mit jemandem reden und dachte …“ Ihre Stimme erstarb, und sie schüttelte entschuldigend den Kopf. „Ich hätte zuerst anrufen sollen. Ich lasse Sie lieber weiterarbeiten.“
„Ich bin Annabelle. Möchten Sie vielleicht hereinkommen?“
Rain war ein paar Schritte zurückgetreten, doch auf die Einladung hin blieb sie stehen. Nach kurzem Zögern kam sie langsam hinein. „Ich bin Rain Sommers.“
„Ich weiß, wer Sie sind.“ Annabelle verriegelte die Tür hinter ihnen. „Weiß Trevor, dass Sie hier sind? Wenn man bedenkt, was gerade los ist, bin ich schon überrascht, dass er sie mitten in der Nacht allein hinausgelassen hat.“
„Er weiß nicht, dass ich hier bin.“ Rain strich ein paar Haarsträhnen hinters Ohr. Sie sah aus, als ob sie überlegte, wie viel sie Annabelle verraten wollte. „Er denkt, ich wäre zu Hause, unter Bewachung.“
„Soll ich anrufen und ihm erzählen, wo Sie sind?“
„Nein, bitte nicht. Wir hatten heute Abend so etwas … wie eine Auseinandersetzung. Er ist gegangen …“
Annabelle musterte Rain. Als sie wieder sprach, klangen ihre Worte bedächtig, tastend. „Sie mögen meinen Bruder sehr, habe ich recht?“
Obwohl die Frage Rain zu überrumpeln schien, erwiderte sie Annabelles Blick.
„Ich glaube, ich bin dabei, mich in ihn zu verlieben.“ Rain strich mit den Händen über ihre Jeans, dann presste sie sie vors Gesicht. „Das hätte ich nicht sagen sollen … ich bin ein wenig müde. In den letzten Tagen ist so viel passiert.“
Annabelle berührte Rain an der Schulter und führte sie in die Galerie. Sie bemühte sich, Rain die Nervosität zu nehmen. „Ich ziehe Trevor immer damit auf, dass er mein großer Bruder ist. Dabei ist er eigentlich nur achtundzwanzig Minuten älter. Wussten Sie, dass wir zweieiige Zwillinge sind?“
„Ich fürchte, es gibt eine Menge, was ich nicht über Trevor weiß“, gestand Rain. „Ich schätze, darum bin ich auch hier … Ich hatte gehofft, Brian könnte mir das eine oder andere erklären.“
„Trevor hat seit langer Zeit eine Mauer um sich herum aufgebaut. Sie sehen aus, als ob Sie gerade dagegen gelaufen wären.“
Rain lachte leicht auf. „So etwas in der Art.“
Nachdenklich spitzte Annabelle die Lippen. Rain wirktescheu, als ob sie jeden Moment durch die Tür verschwinden würde. Ihre gequälte Miene und die schimmernden Augen sprachen Bände. Ihre Gefühle für Trevor waren aufrichtig.
Sie verdiente eine Erklärung.
„Wenn Sie immer noch reden möchten, könnte ich ja vielleicht Brian ersetzen? Ich weiß, wir haben uns eben erst kennengelernt, aber ich habe so lange auf Ihr Foto über Alex’ Schreibtisch geblickt, dass ich das Gefühl habe, Sie bereits zu kennen. Abgesehen davon sollten Sie nicht allein durch die Gegend laufen. Das ist zu gefährlich.“
Rain starrte auf den Boden. „Vielen Dank. Sie sind sehr nett zu mir.“
„Lassen Sie uns nach hinten gehen.“ Annabelle tippte etwas in die kleine Tastatur neben der Tür und stellte die Alarmanlage wieder an. „Ich möchte nicht, dass irgendjemand glaubt, die Galerie wäre noch offen.“
Sie führte Rain den Flur entlang und hielt nur kurz, um sie Haley vorzustellen. Während Rain sich mit dem Mädchen unterhielt, schob Annabelle einen Film in den DVD-Player. Bald darauf war Haley in einem farbenfrohen Trickfilm versunken, in dem ein frecher, sprechender Fisch und Meeresungeheuer die Hauptrollen spielten.
„Kommen Sie, wir setzen uns in Alex’ Büro.“ Annabelle sprach leise, damit sie Haley nicht bei ihrem Film störte. „Ich weiß, wo er den guten Tropfen aufbewahrt.“
Sie war der Meinung, dass sie beide vor der Unterhaltung, die sie gleich führen würden, einen starken Drink vertragen könnten.
Er hatte keine Zeit für Selbstvorwürfe und Reue.
Dennoch lenkte Trevor den Taurus an den Straßenrand. Die Räder wirbelten ein bisschen Kies auf, als der Wagen in der Straße am Rande des Audubon Parks zum Stehen kam. Die Universitätsgelände der Tulane und der Loyola waren ganz in der Nähe. Erschöpft rieb er sich mit den Händen übers Gesicht.
Seine Gedanken kreisten unablässig um das Gespräch mit Rain. Erfolglos versuchte er, das Geschehene zu verdrängen.
Was zur Hölle stimmte nicht mit ihm?
Reue erfüllte ihn. Glaubte er etwa wirklich, dass sie freiwillig bei dem von D’Alba inszenierten Überfall beteiligt gewesen war? Nein, er glaubte es nicht,
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