Nachtruf (German Edition)
nicht sicher für dich. Wenn du irgendwas von draußen brauchst, kann dich ein Officer begleiten …“
„Du willst wissen, was ich brauche ? Ich will von dir nicht abgeschoben werden.“ Ihre Blicke trafen sich. Im Zimmer wurde es immer dunkler.
„Ich muss gehen“, wiederholte Trevor. Er wandte sich zum Gehen.
„Das ist es, was du wolltest, stimmt’s?“
Auf ihre Frage hin blieb er stehen. Sein Gesicht spiegelte sich in der Glastür.
„Wenn du mir misstraust, ist es leichter, mich auszuschließen.“ Rain schlang die Arme um sich. „So gehst du mit jedem um, der dich mag. Mit Brian, deiner Schwester, mir. Was ist mit dir geschehen, Trevor? Das geht über den Konflikt mit deinemVater hinaus. Was ist passiert, dass es dir so schwerfällt, anderen zu vertrauen?“
Er drehte sich wieder zu ihr um. Für einen kurzen Augenblick stand Rain wie erstarrt da, als sie die tiefen Emotionen bemerkte, die sich auf seinem Gesicht zeigten. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging hinaus.
Rain saß auf ihrem Bett und beobachtete durchs Fenster, wie die Nacht hereinbrach. Sie war nach oben gegangen, als Trevor davongefahren war. Der Officer hatte die Tränen in ihren Augen nicht sehen sollen. Sie zog ihre Knie unters Kinn, schlang die Arme um die Beine und versuchte, den Schmerz in ihrem Herzen zu unterdrücken.
Wenn David die Polizei davon überzeugen konnte, dass der Überfall auf sie ein PR-Gag gewesen war, bei dem sie freiwillig mitgemacht hatte, würde man die Anklage gegen ihn bestimmt fallen lassen. Doch viel erschütternder war die Vorstellung, dass Trevor das Ganze für wahr hielt. Glaubte er wirklich, sie wäre Davids Komplizin gewesen?
Sie rief sich seinen verstörten Gesichtsausdruck ins Gedächtnis zurück, als er das Haus verlassen hatte. Ihre Worte hatten ihn bis ins Mark getroffen, und für einen kurzen Moment hatte sie in seine Seele blicken können. Er hielt bewusst Distanz zu den Menschen, die ihm wichtig waren. Aber warum? Rain war nur eines klar: Sie brauchte Antworten, wenn sie ihn jemals verstehen wollte.
Entschlossen zog sie sich Jeans und Turnschuhe an. Dann tappte sie leise die Treppen des alten Hauses hinunter und seufzte vor Erleichterung, als sie feststellte, dass der Officer in der Küche verschwunden war. Durch die Bogentür konnte sie einen verstohlenen Blick auf ihn erhaschen. Er verschlang gerade ein Sandwich und sah eine Episode von COPS im Fernsehen. Mit vollem Mund feuerte er die zwei Polizisten auf der Mattscheibe an, die einen halb nackten Mann mit dickem Bauch einen Berg hinunterverfolgten.
Auf Zehenspitzen schlich Rain zur Rückseite des Hauses und drückte die Überbrückungstaste an der Alarmanlage. Die Fernsehgeräusche übertönten das leise Piepen. Durch den Dienstboteneingang gelangte sie nach draußen. Es war ganz leicht, das Hoftor zu öffnen und unentdeckt hinauszuschlüpfen.
32. KAPITEL
Die Galerie Synapse war geschlossen, die Türen verriegelt und die Lichter im Inneren zu einem schwachen Leuchten gedimmt. Ein Klopfen an der Fensterfront ließ Annabelle Rivette von ihrer Arbeit aufblicken. Sie erhob sich vom Schreibtisch in Alex’ Büro und warf einen verstohlenen Blick auf Haley, die im Zimmer nebenan spielte. Dann ging sie leise den Flur hinunter in den Hauptausstellungsraum.
Auch wenn sie anders aussah als die verführerische Frau auf dem Foto in Alex’ Büro, erkannte Annabelle die zierliche Rothaarige, die draußen auf der Julia Street stand, sofort wieder. Sie schaltete die Alarmanlage aus und entriegelte die Tür.
Rain Sommers trug kein Make-up, und ihr Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden, aus dem sich ein paar kupferfarbene Locken gelöst hatten. Ihr hellblaues T-Shirt warb für das New Orleans Jazz Festival . Sie blickte überrascht auf, als Annabelle in der Tür stand.
„Es tut mir leid, Sie zu stören. Ich bin auf der Suche nach Brian und Alex“, erklärte sie. „Ich bin durchs Foyer gegangen und habe es bei ihrem Apartment versucht. Es war allerdings niemand zu Hause. Ich dachte, vielleicht sind sie hier unten?“
„Sie sind auf Geschäftsreise. Später am Abend erwarte ich sie allerdings zurück. Ich bin hier, um die Buchhaltung auf Vordermann zu bringen.“ Annabelle entging die Enttäuschung nicht, die sich auf dem Gesicht der Frau abzeichnete. Sie sah an ihr vorbei zum dunklen Bürgersteig vor der Galerie. Die Frau schien allein gekommen zu sein. „Nehmen Sie es mir nicht übel, aber darf ich fragen, ob bei Ihnen alles in
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