Nachtruf (German Edition)
Getöse.
„Glenlivet, Single Malt“, bestellte ein Gast beim Barkeeper, während er auf den Stuhl neben James glitt. „Und ich bezahle für meinen Freund hier. Was auch immer er nimmt.“
Ein Hundertdollarschein flatterte auf die Theke.
James bedankte sich mürrisch. Als er wieder in den Spiegel sah, erhaschte er einen Blick auf die Sonnenbrille des Mannes, die in dieser schummrigen Absteige völlig fehl am Platz wirkte. Vielleicht war er ein reicher Promi, der sich vor diesen … Paparazzi versteckte.
Der Barkeeper servierte ihre Getränke. Als der Mann den Scotch an seine Lippen hob, fiel James der Ring ins Auge. Er war aus Weißgold gefertigt und stellte eine Schlange dar, die sich um den Zeigefinger des Mannes wand. Scharfe Reißzähne ragten aus dem offenen Maul der Schlange. Zwei Smaragde bildeten ihre Augen. Etwas Derartiges hatte James noch nie gesehen.
„Passen Sie nur auf, dass Sie damit nicht jemandem die Augen ausstechen, Kumpel.“
Der Mann lachte ein melodiöses Lachen, das bestimmt eine Oktave tiefer klang als der Lärm in der Bar. James nippte an seinem Whiskey. Noch immer blickte er den Mann nicht direkt an.
Er fühlte sich leicht verunsichert.
„Kennen wir uns?“
„Ich möchte Ihnen ein geschäftliches Angebot machen, Mr Rivette.“
Der Mann legte einen Stapel Geldscheine vor sich auf den Tresen.
Ein Neonschild im Fenster warb für Budweiser -Bier. James beobachtete, wie es immer wieder an- und ausging. Dann betrachtete er das angebotene Bargeld. Trotz des Whiskeys war sein Mund mit einem Mal trocken. Auf der Theke lag mehr Geld, als er in zwei Monaten an der Bar verdiente.
„Ein geschäftliches Angebot? Reden Sie von einem Job?“
„Es ist eigentlich ganz einfach. Und ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich sage, es ist sicher etwas, das Ihnen Spaß machen wird.“
Und damit erklärte der Mann, was James für ihn tun sollte.
31. KAPITEL
Ein weiterer Tag war verstrichen, und die Nachrichten, die Rain auf Trevors Handy hinterlassen hatte, waren unbeantwortet geblieben.
Sie starrte aus der Glastür ihres Büros. Ihr Blick blieb an dem Officer hängen, der im Wohnzimmer saß und sich in die Abendausgabe der Times-Picayune vertieft hatte. So muss sich also jemand fühlen, der nicht mehr aus eigener Kraft das Haus verlassen kann, dachte sie. Sie war auf einmal zu einer Frau geworden, die einen Babysitter benötigte und sich bei den kleinsten Besorgungen – wie Lebensmittel einkaufen oder die Post hereinholen – auf andere verlassen musste. Ihre Patiententermine fielen weiterhin aus, sodass sie sich auch nicht mit Arbeit ablenken konnte. Trevor und die Polizei hatten ihr Leben gnadenlos ihrer Kontrolle entzogen.
Draußen senkte sich die Dämmerung über die Stadt und brachte einen immer dichter werdenden grauen Dunst mit sich. Die Türklingel ertönte und riss Rain aus ihren Gedanken. Der Officer legte die Zeitung beiseite, erhob sich vom Sofa und ging in die Diele. Er sah aus dem Fenster, bevor er die Tür öffnete.
Rains Magen machte einen kleinen Satz, als Trevor hereinkam. Er sprach mit dem Officer. Leider konnte sie von ihrem Platz aus nichts verstehen. Als Trevor schließlich zu ihr ins Büro trat, stand sie schon vor dem Schreibtisch. „Ich habe angerufen …“
„Es tut mir leid. Ich war sehr beschäftigt.“
„Die Razzia im Ascension war überall in den Nachrichten. Armand Baptiste ist dringend tatverdächtig.“
Trevor schob die Hände in die Taschen. Von Nahem konnte sie die Schatten unter seinen Augen und die Stoppeln am Kinn erkennen – Zeichen dafür, wie tief er in dem Geschehen steckte.
„Wir haben Duplikate der Rosenkränze in Baptistes Büro im Club gefunden“, sagte er. „Seine Fingerabdrücke waren auf dem Kasten, in dem sie aufbewahrt wurden. Das reicht aus, um Anklagegegen ihn zu erheben.“
„Aber er ist verschwunden?“
„Entweder versteckt er sich hier in New Orleans oder er ist auf der Flucht. In vier Bundesstaaten fahndet die Polizei nach ihm.“ Trevor ließ die Schultern sinken und zögerte, ehe er weitersprach. „Wir haben auch den Kerl geschnappt, der dich überfallen hat. Seine DNA passte zu den Hautpartikeln, die unter deinen Fingernägeln sichergestellt worden sind.“
Ihr Puls beschleunigte sich. „Hat er für Armand gearbeitet?“
„Nein, Rain. Er hat für D’Alba gearbeitet.“
„Ich verstehe nicht …“
Er ging zu ihr und stellte sich neben sie ans Fenster. Draußen wurde es allmählich dunkel. „Es
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