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Nachtruf (German Edition)

Nachtruf (German Edition)

Titel: Nachtruf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leslie Tentler
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Avantgarde-Musikszene gewesen. Mit ihrer rauchigen, whiskeygeschwängerten Stimme hatte sie mal sentimentale Liebeslieder und mal Rocksongs gesungen. Sie hatte gerade erst begonnen, auch landesweit Beachtung zu finden, als sie in ihrem Haus in New Orleans ermordet worden war. Die Tragödie war zu einer Legende, einer fast hollywoodreifen Geschichte geworden, die Desiree im Tode größer machte, als sie es im Leben gewesen war.
    „Das ist das Haus, in dem sie umgebracht worden ist, stimmt’s?“
    „Rains Vater hat ihre Mutter getötet und anschließend sich selbst“, erzählte Brian. „Rain schlief im Zimmer nebenan. Sie war erst zwei Jahre alt. Celeste, Desirees Schwester, zog daraufhin in das Haus und kümmerte sich um Rain.“
    Schweigend fuhren sie weiter, während Trevor die Informationen verarbeitete. Sie sprachen erst wieder, als sie von der Schnellstraße abfuhren und das Marigny-Viertel erreichten, in dem Trevors Hotel lag. Brian parkte auf der Straße gegenüber dem Hotel mit den schwarzen Fensterläden. Im Laubengang des Hauses hingen Geranienkörbe. Brian ließ den Motor laufen, sodass die Klimaanlage weiterarbeitete, und schob seine Sonnenbrille auf die Stirn.
    „Bist du okay? Ich habe gesehen, dass du dir über die Stirn gerieben hast.“
    „Mir geht’s gut.“
    „Sich gegen den Rat der Ärzte selbst zu entlassen war keine gute Idee. Du siehst scheiße aus, Trevor.“
    „Ich brauche nur irgendetwas gegen meine Kopfschmerzen, das ist alles.“
    „Ich sollte dich zurück ins All Saints bringen.“
    „Mach dir keine Sorgen.“ Trevor öffnete den Sitzgurt. „Du hast schon genug getan: Du hast mich vom Krankenhaus hierhergefahren, damit ich duschen und mich umziehen konnte, und anschließend hast du mich zu Dr. Sommers gebracht.“
    „Sie möchte bestimmt, dass du sie Rain nennst“, bemerkte Brian. „Und ich habe dich gefahren, weil du nicht selbst fahren sollst. Wenn du zugehört hättest: Der Arzt sagte, jemand soll bei dir bleiben. Warum kommst du nicht mit mir ins Loft? Nur für heute Nachmittag?“
    „Ich habe eine Menge zu tun. Erst mal muss ich einige Anrufe erledigen.“
    Im Auto herrschte mit einem Mal eine angespannte Stille. „Du willst ihn nicht mal kennenlernen, oder?“
    Trevor sah Brian an. „Das ist nicht wahr.“
    Von klein auf hatte Trevor gewusst, dass Brian irgendwie anders war – auf eine Weise, die ihren Vater ganz sicher wahnsinnig vor Wut gemacht hätte, wenn es ihm aufgefallen wäre. Als älterer Bruder hatte Trevor es sich zur Aufgabe gemacht, den Vater abzulenken und die Dinge abzufedern, solange er es hatte tun können.
    „Ich weiß, ich habe dir das Leben ganz schön schwer gemacht“, sagte Brian leise. „Aber ich habe dich nie darum gebeten, meinen Kampf zu kämpfen.“
    „Ich wollte dich beschützen.“
    „Das war nicht nötig …“
    „Doch, das war es“, hielt Trevor beinahe wütend dagegen. „Er hätte dich zerstört.“
    „Großer Gott, Trevor, und was hat er mit dir gemacht?“ Schweigen entstand zwischen den beiden Männern und erzeugte eine Kluft, die sich mit schmerzhaften Erinnerungen füllte. Trevor öffnete die Tür. Eine Hitzewelle schwappte ins Innere des Wagens. Er kletterte hinaus und stand eine Weile da, bevor er eine Hand auf das Wagendach legte und sich wieder hineinlehnte.
    „Ich werde Alex kennenlernen“, versprach er. „Bei deiner Vernissage am Sonntagabend. Annabelle hat mir schon davon erzählt.“
    „Du kommst?“
    „Ich möchte es auf keinen Fall verpassen.“
    Brian blickte seinen Bruder forschend an. Dann nickte er zustimmend. „Lass es ruhig angehen, ja?“
    Trevor schloss die Tür und wartete, bis Brian davongefahren war. Sobald der silberne Wagen außer Sicht war, presste Trevor die Handballen an seine Augen. Den Zusammenprall mit dem Cadillac spürte er noch am ganzen Körper.
    Im Hotelzimmer angekommen, ging Trevor ins Bad. Er goss etwas Wasser in ein Becherglas, das auf der Konsole stand, und schluckte zwei Schmerztabletten. Als er in den Spiegel sah, starrte ihn sein bleiches Gesicht an. Die Schrammen um die Schnittwunde auf seiner Stirn waren die einzigen Farbtupfer.
    Großer Gott, Trevor, und was hat er mit dir gemacht?
    Brians Frage hallte in seinem Kopf nach, und er fragte sich wieder, was ihn zum Mallory’s geführt hatte. Vielleicht war der Cadillac eine Art Wink des Schicksals gewesen, ein Zeichen, die Vergangenheit verdammt noch mal ruhen zu lassen.
    Er löschte das Licht im Bad und ging zurück ins

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