Nachtruf (German Edition)
Opfer?“
„Das ist möglich, ja.“
Rain schluckte schwer. „Täuscht sich Ihr Bauchgefühl jemals, Agent Rivette?“
„Manchmal.“
„Dann ist der Mann aus meiner Sendung vielleicht gar nicht der, den Sie suchen.“
Er blickte sie unverwandt an. „Dieser Psychopath hat bereits fünf Frauen ermordet. Sind Sie sicher, dass Sie das Risiko eingehen wollen?“
6. KAPITEL
„Du hättest mir sagen können, dass du sie kennst“, bemerkte Trevor vom Beifahrersitz aus. Er betrachtete Brians Profil, während sein Bruder den Gang wechselte und den Sportwagen beschleunigte.
„Ich habe es dir gesagt.“
„Du hast gesagt, sie wäre eine Bekannte . Das klingt nicht nach jemandem, den du gut genug kennst, um den Kühlschrank nach Milch für den Kaffee zu durchstöbern. Selbst ihre Katze kannte dich, Brian.“
„Rain ist in Wirklichkeit mehr Alex’ Freundin als meine“, antwortete sein Bruder. „Damals, in seiner Zeit als junger Künstler, hat er ein Zimmer über der Remise gemietet. Celeste hat ihn dann irgendwie adoptiert.“
„Celeste?“
„Rains Tante. Sie starb letztes Jahr an Krebs.“
Der silberne Audi näherte sich dem Coliseum Square, dem Park im Mittelpunkt des Lower Garden District. Passanten führten ihre Hunde über das saftige Gras, und im Schatten der mit Moos bewachsenen Virginia-Eichen liefen Jogger. Ein Teenager stand allein am Rande des Parks und weckte Trevors Aufmerksamkeit. Der Junge trug eine Jeans und ein langärmeliges T-Shirt, das viel zu warm für die Jahreszeit war. Er starrte dem Wagen hinterher, als sie vorbeifuhren.
Dante hat gesagt, er wolle sie bluten sehen. Trevor spürte es in seinem Inneren – der Anrufer bei Midnight Confessions war nicht irgendein gewöhnlicher Perverser. Er lehnte sich an die Kopfstütze und wünschte sich, der pochende Schmerz hinter seinen Augen würde weggehen. Die Kopfschmerzen waren schlimmer geworden, seit er das Krankenhaus verlassen hatte, doch es war keine Zeit zur Erholung.
„Du wirst einen Strafzettel bekommen“, warnte er Brian, als sein Bruder weiter beschleunigte. Sie waren jetzt außerhalb des Wohngebiets, und Brian hatte beschlossen, den Highway90 Business entlangzufahren, statt die ruhigeren Nebenstraßen zu nehmen.
„Entspann dich.“ Brian blickte zu Trevor hinüber. Es war schwierig, seine Augen hinter den dunklen Gläsern der Sonnenbrille zu erkennen. „Ich bin Profi, wenn es darum geht, Cops auszuweichen.“
Brian hatte schon immer eine Schwäche für hohe Geschwindigkeiten gehabt. Das hatte sich in fast allen Bereichen gezeigt: in dem Auto, das er fuhr, in dem kleinen Flugzeug, das er gelernt hatte zu fliegen, und bis vor nicht allzu langer Zeit auch in einem rasanten, vermutlich noch viel gefährlicheren Lebenswandel mit Drogen und häufig wechselnden Sexualpartnern. Trevors Blick wanderte zu dem goldenen Ring, den sein Bruder jetzt an der linken Hand trug – ein Zeichen für seine feste Beziehung.
Annabelle hatte erzählt, Brian hätte wieder angefangen, zu malen. Sie hatte Trevor einige frühe Kritiken gezeigt, die in den Kunstmagazinen der Stadt erschienen waren. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als an die Wandlung seines Bruders glauben zu können und die Jahre, in denen es Brian so schlecht gegangen war, zu vergessen.
Brian spürte Trevors forschenden Blick und drehte den Kopf. „Was ist?“
„Nichts.“ Trevor zuckte mit den Schultern. Er wollte ihre brüderliche Eintracht nicht zerstören. Stattdessen wandte er sich in Gedanken Rain Sommers zu. Die zierliche Rothaarige war überhaupt nicht so, wie er es erwartet hatte. Sie war elegant und feminin, mit feinen Zügen und umwerfenden bernsteinfarbenen Augen. Nicht zu vergessen der Ph. D. hinter ihrem Namen auf der Visitenkarte. Er zeigte, dass sie sich den Titel Doktor verdient hatte und für den Erfolg der Radiosendung nicht vorgab, etwas zu sein, das sie nicht war. „Was, zum Teufel, ist Rain überhaupt für ein Name?“ Trevor rieb sich die Stirn. „Waren ihre Eltern Hippies?“
„Du weißt gar nichts, oder?“
„Was weiß ich nicht?“
„Jemals was von Desiree Sommers gehört?“
Eine zarte, schlanke Frau mit einer Mähne kupferfarbener Haare und dunkel geschminkten Augen blitzte in Trevors Erinnerung auf. „Die Sängerin? Das ist ihre Mutter?“
Brian nickte. „Sie sehen sich zum Verwechseln ähnlich, oder?“
Desiree Sommers war in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern eine der wichtigsten Vertreterinnen der
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