Nachtruf (German Edition)
Bastard wie James Rivette es nicht fertiggebracht hatte, sie zu verletzen. Gott, er warso unglaublich naiv gewesen.
Annabelle kam einen Schritt näher. „Er hätte dich fast umgebracht.“
Er blickte wieder zu der geschlossenen Tür. Was man ihm über den Tag damals erzählt hatte, stand in Widerspruch zu den bruchstückhaften Erinnerungen, die wieder an die Oberfläche gekommen waren. Momentaufnahmen, zu kurz, um sie fassen zu können. Trotzdem hinterließen sie Fragen, die er nicht abschütteln konnte.
„Es ist schon gut“, sagte Annabelle sanft. Sie schlang ihre Arme um ihn. Trevor zuckte zusammen und versuchte, zurückzuweichen, doch sie hielt ihn fest und ließ ihn nicht gehen.
Er spürte etwas Feuchtes auf seinen Wangen. Und tatsächlich: Er weinte.
11. KAPITEL
Eine schwarze Staffelei stand im Foyer. Darauf befand sich ein Plakat mit einem einzigen Satz in eleganter Schrift:
Synapse stellt vor: Die Kunst von Brian Rivette
Jazzige Klavierklänge schwebten über den Gesprächen, als Rain die Galerie betrat. Wie immer war sie beeindruckt vom glänzenden Parkettboden und den hohen Decken. Ein Kellner im Smoking blieb neben ihr stehen. Er trug ein Tablett mit Champagnergläsern. Sie nahm sich eines und trank einen Schluck. Währenddessen betrachtete sie die stylish gekleideten Leute im Raum. Rain trug ein schlichtes Kleid aus grauer Seide und eine dazu passende Stola, die ihre nackten Schultern bedeckte. Ein quadratisch geschnittener Amethyst hing an einer zarten Kette um ihren Hals. Gedankenverloren berührte sie den Anhänger, als sie vor Brians erstem Werk innehielt. Das Gemälde war Öl auf Leinwand und hatte den simplen Titel Frau . Sehr frei gemalt, in einem Stil, der Bewegung und Sinnlichkeit vermittelte.
„Was denkst du?“ Alex erschien neben ihr. Er trug eine dunkle Hose und ein offenes weißes Hemd.
„Es ist wunderschön“, sagte sie. „Ich mochte Brians Zeichnungen und Aquarelle schon immer. Aber ich sehe, dass er mit Öl genauso begabt ist.“
„Es ist ein neues Medium für ihn, doch sein Stil ist einmalig. Ich konnte einfach nicht widerstehen und habe einige Bilder davon in die Ausstellung aufgenommen.“ Als er lächelte, vertieften seine Grübchen sich. „Natürlich bin ich voreingenommen.“
„Du? Niemals.“
Voller Zuneigung drückte sie den Arm ihres Freundes, während sie gemeinsam das Bild betrachteten. Nach einem Augenblick setzte Alex hinzu: „Du siehst übrigens hinreißend aus. Dolce und Gabbana? “
„Secondhand aus dem St. Peter Thrift Shop “, korrigierte Rainironisch. „Ich glaube, man nennt diesen Stil Vintage .“
Mehr Gäste kamen an, und Alex, ganz der überschwängliche Gastgeber, ging los, um sie zu begrüßen. Er kehrte an Rains Seite zurück, als sie sich ihren Weg zu einem anderen von Brians Werken gebahnt hatte. Es war ein düsteres Aquarell, das das neblige Blau und Grau einer regnerischen Straße in New Orleans einfing. Der Titel lautete Montag auf der Dauphine . Das Bild war einzigartig. Die Fensterscheiben der Geschäfte reflektierten das Funkeln der Regentropfen, die vom wolkenverhangenen Himmel fielen, und die Pfützen auf dem Bürgersteig wirkten wie kleine Spiegel, in denen sich die Szene noch einmal abbildete.
„Wo ist David?“, wollte Alex wissen. „Parkt er den geliebten Jaguar?“
Rain entging die Verachtung in seiner Stimme nicht. „Wir haben uns vor ein paar Monaten getrennt.“
„Das erzählst du mir ständig, aber ich glaube nicht, dass er das auch weiß.“ Er blickte sich misstrauisch im Raum um. „Wo du auch bist, immer lauert er irgendwo in der Nähe. Er hält dich wahrscheinlich für sein Eigentum – genau wie sein verdammtes Auto.“
„Da wir über Autos sprechen: Ich habe den Audi gesehen, den Brian neuerdings fährt. Das nenne ich ein nettes Geburtstagsgeschenk.“
„Lenk jetzt nicht vom Thema ab.“
Sie beschloss, Alex die Details des Streits mit David vor zwei Tagen zu ersparen. Stattdessen trank sie noch einen Schluck von ihrem Champagner. Plötzlich wurde ihr Blick wie magisch zur anderen Seite der Galerie gezogen. Trevor Rivette stand neben einer attraktiven, dunkelhaarigen Frau. Seine Begleiterin sagte etwas zu ihm, und ihre Hand ruhte dabei auf seiner Schulter.
Rain schlug die Augen nieder. Sie hatte ihn zwar hier bei der Vernissage erwartet, doch ihre Enttäuschung darüber, dass er jemanden mitgebracht hatte, überraschte sie. Er trug eine dunkle Hose und einen Sommerpullover mit V-Ausschnitt. Die
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