Nachtruf (German Edition)
kann es sich nicht leisten!“ Baptiste saß hinter einem gigantischen Schreibtisch aus Mahagoni, der mit Intarsien aus Teakholz verziert war. Der Finanzteil des Wall Street Journals lag ausgebreitet auf dem Tisch.
„Welchem Umstand verdanke ich das Vergnügen Ihres Besuchs, Agent Rivette?“
„Ich habe ein paar Fragen.“
„Aha.“ Baptiste unterbrach, um einen Schluck von seinem Espressozu trinken. „Aber habe ich die Antworten dazu?“
Er trug einen maßgeschneiderten Anzug mit einfarbiger Seidenkrawatte, und sein Haar war zu einem strengen Zopf zurückgebunden. Auf seiner Nase saß eine randlose Brille. Baptiste hatte auf das theatralische Make-up, das er an dem Abend im Ascension getragen hatte, verzichtet. Die Verwandlung von einem Senior der Gothic-Gemeinde zu einem Geschäftsmann war perfekt.
Trevor schob das Polizeifoto von Maurice Girard über den Schreibtisch. „Dies ist einer der Männer, die mich vor zwei Nächten in Ihrem Club angegriffen haben. Sein Bewährungshelfer hat bestätigt, dass er für Sie arbeitet.“
„Das ist möglich.“ Baptiste betrachtete das Foto. „Ich besitze Anteile an mehreren Unternehmen und habe Dutzende von Angestellten. Sie können nicht von mir erwarten, dass ich sie alle persönlich kenne.“
„Das ist interessant, denn der Bewährungshelfer meint, Girard wurde eigens von Ihnen eingestellt. Ich frage mich, ob seine Jobbeschreibung auch umfasst, einen Agent des FBI zu überfallen.“
Baptiste nahm seine Brille ab und legte sie auf den Schreibtisch. Er massierte sich den Nasenrücken. „Wie heißt der Mann?“
„Maurice Girard. Wir haben seine Fingerabdrücke auf dem Messer gefunden, das im Lagerraum des Ascension sichergestellt wurde.“
„Sie können sich gern mit der Personalabteilung unterhalten“, bot der Unternehmer an. „Selbst wenn dieser Girard für mich arbeitet, habe ich ihn nicht angewiesen, Sie anzugreifen. Warum schnappen Sie ihn sich nicht und fragen ihn selbst, wenn Sie mir nicht glauben?“
„Gute Idee. Allerdings hat Girard seinen Termin beim Bewährungshelfer heute Morgen nicht eingehalten. Sein Apartment scheint leer geräumt zu sein.“
„Tja, was kann ich dann noch für Sie tun? Ich bin ein vielbeschäftigterMann.“
Als ob er alle Zeit der Welt hätte, begutachtete Trevor einen Briefbeschwerer auf Baptistes Schreibtisch. Er drehte die kobaltblaue Kugel einige Male in der Hand, ehe er sie in die Luft warf und geschickt wieder auffing. Baptiste folgte seinen Bewegungen mit den Augen.
„Das Ding ist sehr teuer. Es ist einige Hundert Jahre alt. Import aus Budapest.“
„Wahnsinn.“ Trevor versetzte der Kugel einen lässigen Schubs. „Was importieren Sie denn sonst noch so?“
„ Baptiste Antiques ist spezialisiert auf europäisches Kunsthandwerk und Mobiliar, ebenso auf Haushaltsauflösungen und Versteigerungen im gesamten Süden der USA. Und das schon seit drei Generationen. Wenn Sie sich für irgendetwas im Besonderen interessieren, wird Miss Takura im Ausstellungsraum …“
„Ich interessiere mich in der Tat für etwas.“ Trevor stellte den Briefbeschwerer an dessen Platz zurück und griff in die Tasche seines Jacketts. Er zog die schwarzen Gebetsperlen und das Silberkreuz heraus und legte beides auf den Schreibtisch.
„Ein wunderschönes Stück.“ Baptiste nahm den Rosenkranz zur Hand und untersuchte ihn genauer. „Exzellentes Handwerk. Die Halbedelsteine verleihen ihm einen gewissen Wert. Aber ich hätte Sie nicht für einen religiösen Menschen gehalten, Agent Rivette.“
„Haben Sie jemals so etwas importiert?“
„Es tut mir leid, nein.“
„Haben Sie so etwas schon mal gesehen?“
„Vielleicht … Wo sind Sie denn auf das Stück gestoßen?“
„Es hat Desiree Sommers gehört. Rain hat es mir heute Morgen gegeben.“
„Will sie es etwa verkaufen?“, wollte Baptiste wissen. „Ich kann ihr ein großzügiges Angebot machen.“
„Das ist gut zu wissen, denn ich habe noch ein halbes Dutzend Rosenkränze, die identisch mit diesem hier sind. Sie wurden bei sechs Mordfällen verwendet.“Baptiste zuckte zusammen und legte die Perlen wieder auf den Schreibtisch. „Ich weiß nichts darüber. Ich würde das Stück nur für meine Sammlung von Andenken haben wollen.“
„Sie erkennen den Rosenkranz also wieder?“
„Ja, das tue ich“, gab der Geschäftsmann zu. „Ich glaube, es ist der Rosenkranz von den Blue Moon -Fotos, aus dem Jahr neunzehnhundertachtundsiebzig. Wenn Sie die Bilder genauer
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