Nachtruf (German Edition)
beobachtet hast“, sagte Annabelle, als sie sich neben ihn stellte.
„Ich dachte, wir würden darüber reden, wer dir Blumen schickt.“
„Ich habe auch gesehen, wie sie dich beobachtet hat – immer dann, wenn sie gedacht hat, du würdest es nicht merken.“
Trevor blickte zu Haley, die ihren Pinsel zur Hand genommen hatte und vor sich hin summte, während sie ihrem Bild den letzten Schliff verlieh.
„Sie ist unmittelbar in den Fall verwickelt“, sagte er, als ob das eine Rechtfertigung dafür wäre, seine Gefühle zu verleugnen.
„Ich möchte nur, dass du glücklich bist, Trevor.“ Annabelle sah ihn mit ihren blauen Augen an. „Was ist los? Irgendetwasstimmt nicht. Ich kann es dir doch an der Nasenspitze ansehen.“
„Nichts ist los.“
„Geht es um Brian? Bist du deshalb hierhergekommen?“
Er zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, ich schaue mal vorbei, das ist alles.“
Annabelle betrachtete ihn skeptisch. Vom Ausstellungsraum her hörten sie, wie die Eingangstür ins Schloss fiel. Brian rief ihnen zu, dass er die Galerie jetzt schließen würde. Zusammen mit Annabelle und Haley ging Trevor ins Foyer, wo Brian die in Wand und Decke eingelassenen Lampen dimmte, die die Kunstwerke im Raum ausleuchteten.
„Fertig“, verkündete Brian. „Lasst uns gehen.“
Mit einem spielerischen Grunzen nahm er die glucksende Haley hoch und hielt sie unter einem Arm fest, während er mit der freien Hand die Alarmanlage einschaltete.
„Wenn du nicht mit mir sprechen willst, dann sprich mit Brian, okay?“, drängte Annabelle leise. Sie hakte sich bei Trevor unter, als sie durchs Foyer gingen und den Fahrstuhl nach oben nahmen.
Rain lag auf der gepolsterten Matte und versuchte, sich auf die Entspannungshaltung Savasana zu konzentrieren. Doch ihre Gedanken wanderten in eine andere Richtung. Nicht einmal die beruhigenden Gesänge, die über die Musikanlage des Yogastudios tönten, konnten sie ablenken. Immer und immer wieder spielte sich vor ihrem inneren Auge ab, was am Morgen zwischen Trevor und ihr geschehen war. Sie dachte daran, wie sie in seinen Armen aufgewacht war, wie er sie geküsst hatte – der Gedanke daran jagte ihr noch immer einen wohligen Schauer über den Rücken. Den ganzen Tag hatte sie die Erinnerung mit sich herumgetragen und noch lange nachdem Trevor sie nach Hause gefahren und Desirees Rosenkranz mitgenommen hatte, waren ihr die Bilder im Kopf herumgespukt.
Beinahe hätten sie miteinander geschlafen. Sie wollte ihm nicht noch mehr Schwierigkeiten bereiten, aber das Verlangen,das sie beide füreinander empfanden, war unbestreitbar da gewesen.
Leider hatte Trevor sie dann ihren eigenen Problemen überlassen – wie zum Beispiel der Tatsache, dass Oliver Carteris es nicht geschafft hatte, zu seinem vereinbarten Termin heute Morgen zu erscheinen. Die Yogastunde ging zu Ende. Sie rollte ihre Matte auf und holte ihre Sachen aus dem Regal an der Wand des Studios. Plötzlich bemerkte sie das Blinken auf ihrem Handy. Hatte Oliver ihren Anruf erwidert?
Sie überprüfte ihre Nachrichten. Doch der Anruf war von Trevor. Er wollte sie an ihre Abmachung erinnern. Es sollte keine Überwachung draußen auf der Straße mehr geben – stattdessen hatte er dafür gesorgt, dass ab dem Abend ein Polizist in ihrem Haus Wache halten würde. Die Nachricht war eine Enttäuschung, denn insgeheim hatte sie gehofft, er würde diese Aufgabe selbst übernehmen. Sie wollte keinen Fremden, der sie bewachte. Aber ihr war klar, dass eine große Verantwortung auf ihm lastete und dass nicht an erster Stelle stand, wie es ihr mit dieser Notwendigkeit ging.
Rain verabschiedete sich von den anderen Yogaschülern. Sie schob den Riemen ihrer Mattentasche über die Schulter und machte sich auf den kurzen Weg durch den Lower Garden District nach Hause. Die Sonne hatte schon an Kraft verloren, und langsam neigte der Tag sich dem Ende zu. Eine leichte Brise bewegte die warme Luft. Aus den lauschigen Gärten der Häuser lugten die großen Blätter von Bananenbäumen hervor, und aus einem Innenhof wehte lebhafte Zydeco-Musik zu ihr herüber.
Als sie um die Ecke auf die Prytania bog, hielt ein Streifenwagen neben ihr. Das Fenster auf der Fahrerseite wurde heruntergekurbelt.
„Alles okay, Dr. Sommers?“
Rain nickte. „Sind Sie der Officer, der heute Nacht in meinem Haus bleiben soll?“
Der junge Polizist am Steuer hatte goldbraunes Haar, lange Koteletten und sprach mit deutlichem Cajun-Akzent. „Nein,Ma’am.“ Er
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