Nachtruf (German Edition)
Telefonkonferenz mit den Kollegen bei der VCU gegeben. Anschließend hatte er sich mit zwei anderen Mitgliedern der Einsatzgruppe getroffen, um einige Informationen zu überprüfen. Sie hatten sich jedoch als Sackgasse erwiesen. Aber was er einfach nicht abschütteln konnte, war die Erkenntnis, dass Armand Baptiste auf irgendeine Weise von seiner schwierigen Vergangenheit erfahren hatte. Die letzte halbe Stunde war er durch die Stadt gefahren und hatte versucht, das zu begreifen.
„Was machst du denn hier, Kleine?“, fragte er, hob Haley hoch und schloss sie fest in die Arme, bevor er sie wieder auf dem Boden absetzte.
„Ich male etwas.“ Ihre Hände wanderten zu dem mit Farbe bespritzten Kittel, den sie über ihrem T-Shirt und den Shorts trug. „Onkel Brian und Onkel Alex haben Farben und ein Stoffei für mich.“
„Kein Stoffei. Eine Staffelei “, korrigierte Annabelle, die Haley aus dem Flur gefolgt war. „Das Malen hält sie mir vom Leib, während ich über den Geschäftsbüchern sitze.“ Sie umarmte Trevor und fügte hinzu: „Ich bin überrascht, dich hier zu sehen. Bist du für heute fertig mit deiner Arbeit?“
„Ist Brian da?“
„Er spricht noch mit einem Kunden …“
„Ist das deine Pistole?“, mischte Haley sich ein und starrte mit aufgerissenen Augen auf die Schusswaffe in Trevors Holster.„Erschießt du damit Menschen?“
„Nur wenn ich unbedingt muss“, antwortete er aufrichtig. „Und nur böse Menschen.“
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Annabelle und zog die Stirn kraus, als sie ihn musterte. Sie sah hübsch aus in dem geblümten Kleid. Ihr dunkles Haar hatte sie zu einem langen Pferdeschwanz zurückgebunden.
„Mir geht es gut“, erwiderte Trevor, obwohl es nicht das war, was er empfand. Es war nicht zu leugnen, dass Baptiste ihn aus dem Konzept gebracht hatte.
Wie viele Tage lagen Sie damals im Koma? Man sagt, dass der Verstand nach einem solchen Ereignis nie wieder derselbe ist wie vorher.
Haley zupfte an seiner Hosentasche. „Onkel Trevor, willst du mein Bild sehen?“
„Haley, lass ihn in Ruhe.“
„Ist schon gut“, sagte Trevor. Haley griff nach seiner Hand und führte ihn aus dem Ausstellungsraum in Alex’ Büro. Sie hatten eine Kinder-Staffelei neben dem Schreibtisch aufgebaut, wo, wie Trevor vermutete, im Augenblick Annabelle arbeitete.
„Ich bin beeindruckt.“ Mit ernsthafter Miene betrachtete er Haleys Kunstwerk. Sie hatte ein viereckiges Haus gemalt, vor dem Blumen in leuchtenden Farben standen und über dem am Himmel die gelbe Sonne lachte. Das Abdecktuch unter der Staffelei, das den Fußboden vor einer Explosion aus Spritzern und Tropfen bewahrte, war noch viel bunter als das Bild. „Du bist genauso begabt wie Onkel Brian.“
„Das ist das Haus, in dem Mommy und ich wohnen.“
„Ich erkenne es wieder.“ Trevor sah auf und blickte Annabelle an, während Haley ihm von den Details des Bildes erzählte. Das Gesicht seiner Schwester war voller Hoffnung. Die fröhliche Darstellung des Hauses schien zu sagen, dass die Dunkelheit endlich aus ihrem Heim gewichen war, dass die schlechten Zeiten verklangen und die Gedanken daran allmählich durch neue, schöne Eindrücke ersetzt wurden. Erinnerungen drängtenan die Oberfläche. Trevor wandte den Blick ab und deutete mit einem Kopfnicken auf das Arrangement von Frühlingsblumen neben dem Computer.
„Schöne Blumen.“
„Die sind für Mommy“, sagte Haley. „Die sind von …“
„… einem Freund“, fuhr Annabelle dazwischen. Sie wurde rot und wollte offenbar noch etwas dazu sagen, als Brian auftauchte. Eine Hand lässig an den Türrahmen gelegt, stand er da und begrüßte Trevor.
„Alex kocht für uns alle“, sagte er. „Es gibt eine halbe Tonne Paella. Warum isst du nicht mit uns, Trev?“
Trevor zögerte. „Das mache ich gern. Danke.“
„Ich bin fast fertig mit diesen Typen. Sobald sie weg sind, gehen wir alle zum Abendessen nach oben.“
Brian verließ das Büro, und Trevor schob die Hände in die Taschen und drehte sich um. Wie immer hing die Fotografie von Rain über Alex’ Schreibtisch. Die Aufnahme wirkte, als ob eine spezielle Fotolinse für einen weicheren Fokus verwendet worden wäre. Die Umrisse der Strukturen waren unscharf, wie leicht verwischt. Es verlieh dem Bild eine traumartige Qualität. Rains Augen blickten verführerisch, und ihre Farbe erinnerte an Sonnenlicht, das durch ein Glas Honig schimmerte.
„Ich habe gesehen, wie du sie auf Brians Vernissage
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