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Nachts auf der Hexeninsel (German Edition)

Nachts auf der Hexeninsel (German Edition)

Titel: Nachts auf der Hexeninsel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Earl Warren
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stieg aus seinen Nüstern. Die Augen glühten. Letitia konnte nicht erkennen, wie der Teufelskopf an der Kutsche befestigt war, oder ob er das überhaupt war. Sie wich bis ans Fährhaus zurück.
    Letitia schaute sich um. Wohin sollte sie fliehen? Das Fährschiff kam noch lange nicht. Mit dem Fahrrad vor der Kutsche wegradeln zu wollen, wäre lächerlich und auch sinnlos gewesen. Fortzurennen brachte auch nicht viel, denn die Einwohner von Stornoway schlössen bereits einen großen Kreis um den Hafen und rückten näher.
    Letitia hätte höchstens ins Wasser springen und davonschwimmen können. Doch wohin? Die schottische Küste konnte sie nie erreichen.
    Auch hätte man sie herausgefischt.
    Letitia presste die Fingernägel in ihre Handflächen, dass es schmerzte. Es gab keinen Ausweg. Die Worte ihrer Mutter hallten ihr in den Ohren: Geh nicht nach Stornoway, denn dort lauert das Böse!
    Letitia hatte nicht hören wollen. Jetzt musste sie es büßen.
    Die schwarze Kutsche rollte immer näher. Sie kam Letitia vor wie ein Leichenwagen, der sie aufnehmen wollte. In gemessener Haltung saßen die beiden Männer auf dem Bock wie Sendboten des Bösen.
    Dumpfer, unheimlicher Gesang drang aus der Kutsche.
    Die Kutsche hielt. Die Tür wurde geöffnet. Ann saß in der Kutsche und winkte Letitia zu, die blass und mit hängenden Armen vor der Kutsche stand.
    »Steig ein, Letitia.«
    Aus der Nähe sah Letitia, dass der Teufelskopf über der Kutsche auf einem Glasfiberstab steckte, den man nur aus der Nähe sah. Von weitem sah es aus, als ob er frei schweben würde.
    »Willst du wohl kommen? Du sollst Angus deine Aufwartung machen. Dann bringen wir dich ins ›Haus der sinkenden Sonne‹ zurück.«
    »Nein!«
    Letitia rannte davon. Auch wenn es aussichtslos war, wollte sie sich nicht wie ein Lamm zur Schlachtbank führen lassen. Ann, neben der noch drei andere Morton-Frauen in der Kutsche saßen, kreischte hinter ihr her. Thomas Morton knallte mit der Peitsche und trieb die Rappen an.
    Der Dicke neben ihm fuchtelte mit den Armen.
    Letitia rannte zwischen den Lagerschuppen am Hafen hindurch und wendete sich zu den Klippen. Die Kutsche blieb zunächst am Kai und begleitete Letitia. Die Hufe der Rappen dröhnten auf dem Kopfsteinpflaster. Die Räder ratterten. Funken sprangen.
    Ann drohte Letitia mit überschnappender Stimme aus dem Fenster: »Du machst alles nur schlimmer für dich! Du kannst doch nicht entkommen! Satan wird dich bestrafen, Elende!«
    Letitia rannte. Sie raffte ihr Kleid. Ihr Herz hämmerte, ihr Atem ging hastig. Die Dorfbewohner fächerten aus und wollten Letitia den Weg abschneiden. Letitia wich mehreren Männern und Frauen aus, lauter einfach gekleideten, derben Gestalten, die ihr die Hände entgegenstreckten. Sie schlüpfte unter den Händen eines Mannes durch, ehe er es sich versah, stieß eine Frau weg, die sie bei den Haaren packen wollte, und eilte zwischen auf den Strand gezogene Fischerboote.
    Ihre Verfolger versuchten Letitia zu erhaschen. Aber Letitia war flink. Die Angst, den Mortons in die Hände zu fallen und dem Teufel ausgeliefert zu werden, trieb sie.
    Die Kutsche hielt am Ende des Hafengeländes. Der Teufelskopf schwebte hoch über der Kutsche und pendelte hin und her. Thomas Morton hatte sich auf dem Kutschbock aufgerichtet und rief Kommandos.
    Die Morton-Frauen in der Kutsche sangen ihre teuflischen Lieder und Anrufungen.
    Letitia hörte gälische Schimpfworte und Verwünschungen, mitunter auch englische Brocken. »Packt sie!«
    »Fasst sie und übergebt sie den Mortons, oder wir müssen es alle büßen!«
    »Bleib stehen, Mädchen!«
    Letitia dachte nicht daran. Sie kletterte, als man ihr den Weg abschnitt, katzengewandt über ein Fischerboot und sprang auf der anderen Seite auf den Boden. Dabei zerriss sie sich das Kleid. Letitia achtete nicht darauf. Sie rannte vom Hafen weg, zwischen Strandhafer hindurch, der .ihr rauschend um die Beine schlug, eine Düne hoch.
    Mehrere junge Burschen aus Stornoway waren ihr hart auf den Fersen. Ein junger Mann hatte die Düne schon vor ihr erklommen und lauerte, um Letitia zu fassen. Er rannte am Kamm der langgestreckten Düne entlang, schnitt ihr den Weg ab und tauchte plötzlich vor Letitia auf.
    »Jetzt habe ich dich!«, rief er auf Gälisch. »Ergib dich!«
    Letitia schaute über die Schulter. Drei Verfolger waren nur knapp hinter ihr. Die weiter zurückgebliebene Meute, mehrere hundert Personen, wimmelte teils heran, war teils stehengeblieben und schaute

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