Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)
beschissene Job hier!«
Er hatte nicht bemerkt, dass Paul schon seit geraumer Zeit in nächster Nähe stand und beide aufmerksam beobachtete. Nun kam er mit weit ausholenden Schritten auf sie zu. Seine Körpersprache war eindeutig, er sprach leise und drohend.
»Auf deine Gesellschaft kann ich gut und gern verzichten, auf Theresias nicht! Also lass dir dein idiotisches Verhalten mal durch den Kopf gehen! Und jetzt verschwinde!«
Er packte Robert am Kragen und setzte ihn kurzerhand vor die Tür. Dieser war so perplex, dass er sich nicht einmal ansatzweise wehrte. Kaum hatte Paul die Tür hinter Robert geschlossen, drang ein einzelner lauter Beifall vom Fußballertisch herüber. Der Torwart erhob sich und nickte anerkennend.
»Verpiss dich!«, zischte Paul ihm im Vorbeigehen zu und verschwand hinter einer Tür mit der Aufschrift »Privat«.
Drei Stunden später, es war inzwischen weit nach Mitternacht, verließen die letzten Gäste stark angetrunken die Gastwirtschaft. Ihr Grölen hallte noch lange durch die Nacht undschreckte hier und da die Bewohner aus dem Schlaf. Eine halbe Stunde später betrat Theresia die Straße. Der Ort war mittlerweile wieder still und menschenleer, einzig Harris’ Polizeiwagen parkte auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Harris saß rauchend hinter dem Lenkrad.
»Soll ich dich bringen?«, rief er durch das geöffnete Fenster.
Theresia hob abwehrend die Hände, aber es war ihr anzusehen, dass sie unter anderen Umständen das Angebot nur allzu gern angenommen hätte.
»Lass gut sein, Harris, das würde alles nur noch schlimmer machen!«
»Ach komm, ich erklär’s ihm morgen!«
Theresia schüttelte den Kopf. »Nein, aber lieb von dir!«
Sie winkte ihm zu und nahm dann den kleinen Weg, der zwischen den Häusern hindurch zum nahe gelegenen Wäldchen führte. Wenn sie die Abkürzung querfeldein benutzte, war sie in fünfzehn Minuten zu Hause. Das war besser, als den nächsten Eifersuchtsanfall von Robert ertragen zu müssen. Einen Moment noch sah Harris ihr nach, dann startete er den Wagen und fuhr davon.
Die Straßenlaternen erhellten nur begrenzte Zeit den schmalen Weg, dann versank in dieser mondlosen Nacht alles in tiefer Dunkelheit. Zuversichtlich steuerte Theresia, ungeachtet des holprigen Untergrundes, in schnellem Tempo dem Wald entgegen, aber als die Lichter von Lunow hinter dem Hügel verschwanden, verließ sie der Mut. Nicht nur, dass sie sich in ihren hochhackigen Schuhen über kurz oder lang die Knöchel brechen würde, es war so verdammt schwarz um sie herum, dass sie zum ersten Mal eine wahrhaft reale Vorstellung von Blindheit bekam. Sie bedauerte es nun zutiefst, Harris’ Einladung nicht angenommen zu haben. Ein Geräusch zur Linken ließ sie zusammenfahren. Theresia riss den Kopf herum und richtete ihren Blick starr auf das Maisfeld. Bauer Müller, dem es gehörte, war im August gestorben,und niemand hatte sich seitdem um das Land gekümmert. Der inzwischen verdorrte Mais stand also noch immer mannshoch. Theresia meinte zwar, einen großen Schatten wahrzunehmen, aber sie hätte es nicht beschwören können. Vielleicht nur ein einzelnes Wildschwein, das sich den überreifen Mais schmecken ließ. Sie atmete tief durch, strich, um besser hören zu können, ihre Haare hinter die Ohren und ging weiter. Kurz darauf knackte es wieder, fast unmittelbar neben ihr.
»Robert?« Ein schwacher Windhauch bewegte die ausgetrockneten Maisblätter, dann war es wieder still. Theresia lächelte in sich hinein. Die Natur spielte ihr einen Streich. Als ehemaliges Stadtkind waren ihre Sinne wenig geschärft und in dieser Situation höchstwahrscheinlich überstrapaziert. Das Beste war, einfach geradeaus zu gehen und nicht mehr hinzuhören; sehen konnte sie ohnehin nichts. Sie hatte den Wald fast erreicht, als es erneut raschelte.
»Wenn du das bist, Robert, finde ich das überhaupt nicht komisch!«, sagte sie laut in die vermeintliche Richtung und marschierte stramm weiter.
Das unregelmäßige Knacken hinter ihr wurde ganz plötzlich zum steten Geräusch schwerer Schritte. Mit weit aufgerissenen Augen versuchte sie, immer schneller werdend, über die Schulter hinweg etwas zu erkennen, aber die Dunkelheit war wie eine undurchdringliche Wand. Sie wusste zwar, dass der Weg durch das Wäldchen zu lang war und dass sie keine Chance haben würde, dem Verfolger zu entkommen, aber sie musste es versuchen. Der Rückweg war abgeschnitten. In panischer Angst streifte Theresia die Schuhe von
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