Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)
nach unten. Sie schrie laut auf, als sie seine eiskalte Hand zwischen ihren Beinen spürte.
»Na bitte, es geht doch!«, schnaufte er, ergriff mit beiden Händen die Schlinge und zog mit aller Kraft zu. Sie spürte noch lange, wie ihr Körper sich wehrte, dann entließ ihr Bewusstsein sie endlich in die Dunkelheit.
7.
Alexandra erwachte mitten in der Nacht. Sie hätte nicht sagen können, ob ein Geräusch sie weckte oder ob es der bittere Geschmack von Terpentin auf ihren Lippen war. Vorsichtig tastete sie den Boden ab, fühlte die klebrige Fläche der Farbpalette unter ihrer Hand, stieß etwas um und fand dann endlich den Kippschalter der kleinen Stehlampe. Das schwache Licht der Fünfzehn-Watt-Birne erhellte den Raum. Sie hatte bis Einbruch der Dunkelheit gemalt, ohne Pause, euphorisch und glücklich darüber, die Schaffenskrise überstanden zu haben. Danach war sie erschöpft eingeschlafen. Jetzt war es vier Uhr morgens. Alexandra verspürte plötzlich unbändigen Appetit auf heißen und extrem süßen Kaffee. Lächelnd rappelte sie sich hoch und sah versonnen auf das an der Wand lehnende Ölbild. Es war perfekt.
Sie war angekommen, alles war wieder da! Der Geruch von frischer Ölfarbe und Terpentin, pechschwarzer, zuckersüßer Kaffee, die Bedeutungslosigkeit von Tag und Nacht, sie spürte sie wieder, die enthusiastische Lust am Malen. Beschwingt stand sie auf, ordnete mit geübten Handgriffen das Chaos der Zeichenutensilien um sie herum und ging in die Küche. Auch hier herrschte noch immer ein heilloses Durcheinander, und sicher würde sie noch Wochen brauchen, bis die Küche ihren Vorstellungen entsprach. Jetzt stand einzig ein alter Gasherd an der linken Seite, von dem sie noch nicht einmal wusste, ob er überhaupt funktionierte. Den Rest des Raumes füllten Alexandras Kisten. Unentschlossen, ob sie auf der Stelle ihr Geschirr auspacken oder doch lieber den Kaffee aus der Tasse ihrer Vorgängerin trinken sollte, musterte sie argwöhnisch denblau-weiß gepunkteten Kaffeepott, der verloren auf dem Gasherd stand. Der dunkelbraune Rand eingetrockneten Kaffees ließ erkennen, dass sich der Benutzer nicht mehr die Mühe gemacht hatte, die Tasse zu reinigen. Alexandra hatte plötzlich das Empfinden, die Tasse könnte sich noch warm anfühlen, wenn sie nach ihr griff. Beinahe ängstlich trat sie näher an den Herd heran und starrte auf den Kaffeepott. Hatte er gestern schon hier gestanden? Die Geschichten, die Harris Zimmering erzählt hatte, spukten ihr im Kopf herum. Ob sie nun erfunden waren oder nicht, sie hinterließen einen unangenehmen Nachgeschmack. Als könne frische Luft die düsteren Gedanken vertreiben, schob sie das Fenster nach oben, verriegelte es auf halber Höhe, lehnte sich weit hinaus und atmete tief die warme Nachtluft ein. Um das Haus herum herrschte Windstille, nur die Baumwipfel bewegten sich leise rauschend, hin und wieder kündigten vereinzelte Vogelstimmen die nahende Morgendämmerung an. Die hohe Luftfeuchtigkeit lag wie ein Schleier auf dem Gras und ließ einzelne Halme im schwachen Licht der Küchenlampe glitzern. Wenige Meter weiter herrschte jedoch tiefe Finsternis.
Alexandra beschloss, ein paar Scheinwerfer so am Haus anzubringen, dass sie die Waldgrenze ein wenig erhellten und sie dadurch nicht mehr wie eine schwarze Wand wirkte. Sie schloss das Fenster, hob im Vorbeigehen den Wasserkocher vom Boden, füllte ihn mit Wasser und stellte ihn wieder auf den Fußboden zurück. Die spärliche Anzahl der Steckdosen deutete darauf hin, dass dieser Raum ehemals nicht als Küche gedient hatte, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach ein ganz normaler Wohnraum gewesen war. Erst nachträglich hatte man einen Gas- und Wasseranschluss gelegt, eine Aufstockung der Steckdosen jedoch vergessen. So musste die momentan einzig bodennahe Steckdose, der knappen Schnur des Wasserkochers wegen, den Strom liefern, bis sie eine Verteilerdose gekauft hatte.
Alexandra ließ sich auf dem Fußboden nieder und wartete darauf, dass das Wasser zu kochen begann. Es verging nur ein Moment, dann erlosch mit einem Knall das Licht, und das leise Brodeln des Kochers verstummte. Sie saß im Dunkeln. Da sie keinerlei Lust verspürte, in einem ihr noch völlig unbekannten Haus nach einem Sicherungskasten zu suchen, schob sie den Gedanken an Kaffee wehmütig beiseite und beschloss, die Morgendämmerung vor dem Haus zu erleben. Sie war gerade im Begriff aufzustehen, als das Licht wieder anging. Obwohl sie von Elektrik rein
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