Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)
den Füßen und rannte los. Sie spürte nicht, wie die Dornen der Sträucher ihre Waden zerschnitten, auch nicht den Druck scharfkantiger kleiner Steine unter ihren Fußsohlen, vollkommen blind rannte sie geradeaus. Kein Laut kam über ihre Lippen, kein Hilfeschrei, den eh niemand hören würde, sie brauchte die Kraft, um noch schneller zu werden. Die Schritte hinterihr wurden hastiger, dann aber zunehmend leiser. Sie hatte ihn abgehängt. In ihrem Kopf rasten die Gedanken. Sie wusste, dass der Weg nach circa zweihundert Metern an einem viereckigen Markierungsstein eine leichte Linkskurve nahm und dann wieder schnurgeradeaus bis zum Ende des Waldes verlief. Wo aber befand sie sich gerade? Hatte sie diese Biegung schon erreicht? Verunsichert blieb sie stehen. Sie brauchte eine Orientierung, und wenn es nur ein umgefallener Baum war. Sie kannte jeden, denn sie war diese Strecke etliche Male gelaufen. Theresia hielt den Atem an und lauschte, während sie in ihrer Handtasche nach dem Handy suchte. Sie benötigte Licht, wenigstens für ein paar Sekunden, auch wenn sie dabei Gefahr lief, selbst gesehen zu werden. Es war jetzt totenstill. Der Wind hatte sich fast schlagartig gelegt, und nicht ein einziger Laut drang aus dem Wald. Das Handy eng an ihren Bauch gepresst und damit nach hinten abgeschirmt, leuchtete sie, soweit es das schwache Licht hergab, den Weg ab. Aber nichts an dieser Stelle war in irgendeiner Weise markant. Lautlos lief sie ein paar Schritte weiter. Nichts! Auch hier erkannte sie absolut nichts. Das Herannahen schwerer Schritte durchbrach die Stille. Sie waren ganz nah, er musste direkt hinter ihr sein. Theresia fuhr herum und riss das Handy wie eine Waffe nach oben. Sie wollte ihren Verfolger sehen, wenigstens wollte sie wissen, wer ihr das antat.
Mit zitternden Händen hielt Theresia das Handy weit vor sich gestreckt, aber als sie die Umrisse einer Gestalt erkennen konnte, geriet sie in Panik, ließ das Handy fallen und rannte los. Nur wenige Meter weiter bremste ein schmerzhafter Schlag gegen ihr linkes Schienbein den Lauf, und sie fiel hart zu Boden. Der viereckige Stein an der Wegbiegung hatte sie zu Fall gebracht. Innerhalb von Sekunden war das Keuchen über ihr. Der Angreifer drückte sie mit enormer Kraft auf den Boden, indem er sich rittlings auf sie setzte. Es gelang ihr dennoch, den Kopf blitzschnell seitlich zu drehen, um nichtim weichen Waldboden zu ersticken. Langsam beugte er sich zu ihr hinunter.
»Es kann dich niemand hören. Also schrei! Schrei, so laut und so lange du noch kannst«, hauchte er fast tonlos in ihr Ohr.
Gleichzeitig spürte sie, wie sich eine dünne Schlinge um ihren Hals legte. Sein Atem roch nach Pfefferminz. Und da war noch etwas! Die milde Waldluft mischte sich plötzlich mit einem Duft, den sie kannte. Ein Aftershave! Robert! Beinahe erleichtert über ihre Erkenntnis, versuchte sie den Kopf weiter zu drehen, aber der Druck seines Knies auf ihrem Rücken verhinderte jegliche Bewegung. Zugleich wurde die Schlinge um den Hals enger.
»Robert! Bitte, bitte hör auf! Es tut mir leid«, krächzte sie.
»Jetzt schrei endlich!« Es war nicht Robert.
»Was willst du?«, presste Theresia hervor.
»Dass du schreist!«, hauchte er.
Theresia war sich sicher, diese Stimme schon einmal gehört zu haben, aber um deren Klang zu erkennen, musste sie ihn dazu bringen, lauter zu sprechen.
»Und dann?«, fragte sie. Wieder näherte er sich ihrem Ohr.
»Werde ich dich sehr langsam töten«, flüsterte er.
Sie hatte keine Chance. Er war ein Wahnsinniger, wild entschlossen, sie umzubringen. Ein Ruck seiner Hände, und der Draht schnitt tief in ihre Kehle. Es war ihr kaum noch möglich zu atmen.
»Halt die Luft an, und stell dich tot. Lass ihn denken, er hätte es geschafft!«, hämmerte es in ihrem Kopf, aber ihr Körper gehorchte ihr nicht, er rang nach Luft, anfangs röchelnd, kurz darauf schnappend. Der Todeskampf hatte begonnen. Theresia schloss die Augen und ließ ihn gewähren. Mit einem Mal lockerte sich die Schlinge, und laut ächzend strömte ein wenig Luft in ihre Lungen. Er spielte mit ihr. Sie musste nur durchhalten und den geeigneten Punkt finden, ihn glaubenzu machen, dass sie tot war. Sie brauchte nur genug Luft dafür. Der Druck auf ihren Rücken ließ plötzlich nach. Der Angreifer kniete jetzt seitlich von ihr.
»Jetzt schrei, verdammt noch mal!«, hörte sie ihn zischen.
Mit einer Hand fuhr er unter sie, zerriss den Bund ihres Slips und zerrte diesen dann
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