Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)
in dieser Höhe abzustellen. Der macht dir innerhalb einer Woche alles zu Kleinholz!«
»Du bleibst eine Woche?« Während Alexandra über das ganze Gesicht strahlte, löste der Satz bei Nina das komplette Gegenteil aus. Erschrocken hielt sie sich die Hand vor den Mund. »Ups!«
»Wieso, ist doch toll! Eine Woche! Wann haben wir das letzte Mal so viel Zeit miteinander verbracht?« Ninas Miene offenbarte jetzt deutlich, dass es sich um ein Riesenmissverständnis handelte, sie aber nicht wusste, wie sie das Alexandra beibringen sollte.
»Ich fliege morgen Abend nach New York, und Jack … bleibt hier.«
Nach kurzer Überlegung trat bei Alexandra Ernüchterung ein, aber sie liebte Nina und war daher weit davon entfernt, ihr Vorwürfe zu machen. »Und? Freust du dich?«
Nina setzte eine gelangweilte Miene auf. »Ich werde nicht viel von New York zu sehen bekommen! Es wird wie immer, ein brechend voller Terminplaner, langweilige Geschäftsessen, meistens mit Frauen, natürlich das gleiche Hotelzimmer mit der berühmten Aussicht auf nichts, endlose Häuserschluchten, verstopfte Straßen und hupende Taxis. Ob ich mich darauf freue? Kann ich nicht unbedingt behaupten.«
»Ja, ja, ja, du bist zu bedauern!«, stichelte Alexandra. »Und wann kommst du zurück?«
»Kurz vor Weihnachten.«
»Oh … das ist ja ein Vierteljahr!«, folgerte Alexandra mit einem mitleidigen Seitenblick auf den Welpen, der gerade dabei war, eine Rolle Küchenpapier in winzig kleine Schnipsel zu zerreißen. »Meinst du, das ist gut für Jack? Ich meine, glaubst du, der erkennt dich dann noch?«
Nina machte eine bedeutungsvolle Pause.
»Alex. Jack ist für dich!« Als hätte sie soeben den nahenden Weltuntergang verkündet, entglitt Alexandra nun vollkommen das Gesicht. Verunsichert wechselte ihr Blick zwischen Nina und dem Welpen, während sie darauf wartete, dass ihre Freundin den Scherz, und sie war fest davon überzeugt, dass es einer war, auflöste, aber nichts dergleichen geschah. »Du meinst es ernst«, sagte sie nach einer Weile. Es war typisch für Nina, Alexandras Blick einfach lächelnd standzuhalten und sie selbst die Schlussfolgerungen ziehen zu lassen. Als Erstes legte sich Alexandras Stirn in Falten, anschließend wurden die Augen zu Schlitzen, und die Nasenwurzel kräuselte sich, schließlich verzog sich ihr Mund zu einem Flunsch. Nina hielt der Versuchung stand, in lautes Lachen auszubrechen, und wartete ab. Zum einen wusste sie, dass dieser Zustand der totalen Verzweiflung nicht lange anhielt, zum anderen vertraute sie Jacks unwiderstehlichem Charme. Von Alexandra unbemerkt schob sie den Welpen in Richtung der Freundin, und wie erwartet tat Jack das, was er am besten konnte. Er stolperte tollpatschig auf Alexandra zu, blieb kurz vor ihr stehen und legte den Kopf leicht schief. Die Wandlung in Alexandras Gesicht war bildhaft. Jacks Charme glitt wie ein Weichzeichner über ihr Antlitz, die Falten verschwanden, und um ihren Mund spielte ein verzücktes Lächeln. »Na gut. Wenn du mir versprichst, dass du Mäuse jagst, kannst du bleiben.«
11.
Die kleine Insel maß nicht mehr als achtzig mal fünfzig Meter, war überwuchert mit undurchdringlichem Dickicht und erhob sich nur wenige Meter aus dem Wasser. Es bedurfte einiger Geschicklichkeit, trockenen Fußes anzulanden, denn der Bootsrumpf stieß schon wenige Meter vom Ufer entfernt an die Wurzeln alter Bäume, die wie knorrige Finger einer riesigen Hand ins seichte Wasser ragten.
Es hatte mehrere Anläufe und schließlich einen Hunderter gebraucht, um einen der Anwohner des Parsteiner Sees davon zu überzeugen, Harris sein Boot zu leihen. Wäre der Umstand ein anderer, würde er die Strecke von knapp zweihundert Metern, welche die Insel vom Festland trennte, schwimmend zurücklegen, in diesem Fall aber war das äußerst unpassend, hoffte er doch, mit dieser Aktion seinen kriminalistischen Scharfsinn unter Beweis stellen zu können. Wahrscheinlich reichte Schneiders Phantasie nicht aus, um aus fünf Punkten auf der Landkarte ein sinnvolles Bild entstehen zu lassen, oder er war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, weil seine These vom mordenden »Kreuzritter« zusammengebrochen war. Für Harris jedoch ergab sich nach Theresias Verschwinden nur eine Möglichkeit. Der sechste Punkt, an dem man nach ihr suchen sollte, formte aus dem Kreuz und einem scheinbar belanglosen fünften Punkt ein Herz. Und dieser Punkt befand sich hier auf der Insel. Obwohl es ihm Vergnügen bereitet
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