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Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)

Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)

Titel: Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Gwisdek
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hastig die Tränen aus den Augen, um sehen zu können, aber Harris tauchte nicht auf. Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte sie endlich ein plätscherndes Geräusch, kurz darauf gab die Dunkelheit Harris preis, der im Laufschritt auf sie zueilte.
    »Du Idiot, du dämlicher Vollidiot!«, schrie Alexandra, kaum dass er vor ihr stand. Mit einer heftigen Armbewegung wehrte sie seine Hand ab, die nach ihr greifen wollte, sprang auf die Füße und prügelte mit den Fäusten auf ihn ein. »Das ist kein Spaß, mit so was macht man keine Späße, verstehst du! Verstehst du mich? Du gemeiner, widerlicher Kerl! Du hast ja keine Ahnung …« Sie raste vor Wut, brüllte aus voller Kehle, während sie weiter mit Händen und Füßen auf ihn einschlug. Harris ließ sie sich austoben, auch wenn die Schläge schmerzten und er nicht die geringste Ahnung hatte, was diesen Wutanfall ausgelöst haben konnte. Sie würde es schon sagen, wenn sie mit ihm fertig war. Alexandras Anfall endete so abrupt, wie er begonnen hatte. Vor Anstrengung keuchend und mit schlapp herunterhängenden Armen stand sie vor ihm, nur ihre Augen funkelten noch vor Zorn.
    »Fahr mich nach Hause!«
    Harris wagte nicht, zu widersprechen. Also nickte er nur, lief zum Steg und zog sich auf dem Rückweg Hose und Shirt über. Er öffnete die Beifahrertür und ließ Alexandra einsteigen. »Wieder gut?«
    Alexandra nickte und schob die Flasche Wein, die Harris ihr tröstend vor die Brust hielt, mit angewidertem Blick zur Seite. »Nein danke, ich trinke nicht.«
    »Bist du trockene Alkoholikerin oder was?«, versuchte er die Stimmung aufzulockern.
    »Ich behalte einfach gern die Kontrolle.«
    »Über dich oder die Situation?«
    »Beides.«
    Harris warf die Flasche auf den Rücksitz, schloss die Beifahrertür und stieg dann selbst ein. »War’s mal anders?«, fragte er.
    »Ja, aber lass uns jetzt nicht darüber reden.«
    »’n Kerl?«
    »Ich sagte, lass uns nicht darüber reden!« Ihr Tonfall zeigte deutlich, dass die Stimmung jeden Augenblick wieder kippen konnte und Harris gut daran tat, sie nicht weiter zu drängen. Also ließ er den Motor an und fuhr los. Nur wenige hundert Meter weiter spürte er Alexandras Hand auf seinem Knie. »Halt an!«, sagte sie leise. Für ein paar Sekunden saßen sie schweigend nebeneinander, dann drehte Alexandra den Zündschlüssel um. Der Motor verstummte, es war still. Wie eine Lawine stürzte die Erinnerung auf sie herab und brachte die Bilder jenes verhängnisvollen Tages, der ihr Leben für immer verändert hatte, wieder hervor. »Konzentriere dich auf das Jetzt«, hämmerte es in ihrem Kopf. Wohl Hunderte Male hatte sie Professor Lennings Worte in solchen Situationen wiederholt, geholfen hatten sie nie. »Du kannst die Vergangenheit nicht ändern«, hatte er sie immer wieder beschworen, »du musst lernen, mit ihr zu leben.« Einen kurzen Moment haderte sie mit dem Gedanken, das sichere Terrain zu verlassen.
    »Meine Eltern hatten sich das Wochenende freigenommen, frei von uns, den Kindern. Ich vermute mal, sie wollten Sex haben an ihrem zwanzigsten Hochzeitstag, und das war in unserer Dreizimmerwohnung, ohne dass mein Bruder und ich es mitbekamen, kaum möglich. Mein Bruder war damals neun, ich siebzehn. Meine Eltern mieteten sich also von Freitag bis Sonntag in irgendeinem Hotel ein. Das hatten sie noch nie gemacht, und ich war total happy, sturmfreie Bude zu haben.
    Samstagnacht wollte meine Clique zum Baden, also knöpfteich mir meinen kleinen Bruder vor, überzeugte ihn davon, dass ich ihn umbringen würde, wenn er meinen Eltern gegenüber auch nur ein Sterbenswort darüber verlor, und zog, ihn im Schlepptau, mit meinen Freunden los.
    Es war schon dunkel, und wir waren mächtig betrunken, als mein Bruder noch einmal ins Wasser ging. Ich weiß noch, dass ich Planschen und einen merkwürdigen Laut gehört habe, aber ich war zu beschäftigt, um nachzusehen. Erst als wir losfahren wollten, stellten wir fest, dass mein Bruder verschwunden war …
    Nachdem wir ihn beerdigt hatten, begann ich Dinge zu sehen, die es nicht gab. Und ich hörte Stimmen. Die Ärzte nannten es posttraumatischen Stress und lieferten mich in eine psychiatrische Klinik ein. Ich blieb dort ein Jahr. Die Tabletten haben mir geholfen klarzukommen, und irgendwann bin ich auch wieder ohne Psychopharmaka zurechtgekommen. Aber jetzt …« Alexandra stockte und warf Harris einen unsicheren Blick zu. »Ich befürchte einfach, dass es wieder losgeht.«
    »Dass was wieder

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