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Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)

Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)

Titel: Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Gwisdek
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tief genug aushob, der Aasgeruch Tiere anlocken könnte, die den Kadaver wieder ausgraben würden. Also schaufelte sie weiter, hin und wieder laut weinend, kurz darauf wütend, weil dicke Wurzeln den Spatenstich bremsten und ihr mehr und mehr die Kräfte schwanden. Die gesamte Nacht hatte sie versucht ausfindig zu machen, woran Jack gestorben war, erst gegen fünf Uhr morgens war ihr die zerfetzte Packung Schneckenkorn in die Hände gefallen. Keine Ahnung, wo Jack sie hervorgezogen hatte, Alexandra jedenfalls hatte dieses Schneckengift noch nie gesehen. Aber das spielte keine Rolle mehr, auf der Verpackung war noch deutlich zu lesen, dass es nicht in Kinderhände gelangen und in keinem Fall von Hunden oder Katzen gefressen werden durfte. Jacks unbändiger Appetit war ihm, auf sich allein gestellt, zum Verhängnis geworden.
    Alexandra hielt inne und betrachtete skeptisch das Erdloch um sich herum. Es hatte inzwischen Ausmaße angenommen, in denen man gut ein Pferd hätte begraben können. Sie warf den Spaten nach oben, kletterte heraus und ergriff, begleitet von einem erneuten Heulkrampf, die Decke mit Jacks Körper. Der dumpfe Schlag, mit dem der Kadaver auf den Grund der Grube aufschlug, fuhr ihr durch Mark und Bein. »Es tut mir leid, Jack!«, schluchzte sie und griff beherzt nach dem Spaten. Eine halbe Stunde später ließ sie sich müde und erschöpft neben dem Erdhügel nieder.
    »Alexandra?« Es war Harris’ Stimme, die vom Haus herüberhallte.
    »Ich bin hier!«, rief sie, während sie sich hektisch die Tränen vom Gesicht wischte.
    »Wo?«
    »Hinterm Haus!«
    Kurz darauf stand Harris vor ihr und betrachtete sie amüsiert. »Was machst du hier? Und wie siehst du überhaupt aus?«
    Die Haare zerzaust, das Gesicht über und über mit Schlamm beschmiert, gab Alexandra, wenn man die Gründe dafür nicht kannte, ein wirklich komisches Bild ab.
    »Ich habe Jack begraben«, sagte sie leise. »Und ich bleibe keine Nacht länger in diesem Haus.«
    Harris ging vor ihr in die Hocke, hob mit der Fingerspitze ihr Kinn nach oben und sah sie mitfühlend an. »Was ist passiert?«
    »Das ist scheißegal, ich will nur weg hier!«, brauste Alexandra auf und sprang auf die Füße. »Die nächste Nacht schlafe ich bei dir!«, sagte sie und lief mit großen Schritten durch den Garten.
    »Das geht leider nicht.«
    »Wieso? Bist du verheiratet?«, rief sie provokativ und ohne sich zu ihm umzudrehen.
    »Nein«, antwortete Harris lächelnd.
    »Und warum geht es dann nicht?«
    »Weil ich bei meiner Mutter wohne.«
    Alexandra blieb wie vom Donner gerührt stehen.
    »Das ist nicht dein Ernst! Mein Gott, du bist dreißig!«, konstatierte Alexandra.
    »Ja. Und?«
    »Na ja, wer mit dreißig noch bei seiner Mutter …«
    »Der ist was? Bescheuert, minderbemittelt, pervers, ein Müttersöhnchen? Vielleicht ist meine Mutter krank, und ichpflege sie, vielleicht sitzt sie im Rollstuhl … Du fragst gar nicht erst. Du urteilst und machst dich lustig!«
    Aus Alexandras Gesicht wich die Angriffslust. »Entschuldige, du hast recht.«
    Erstaunt darüber, dass sie nicht, wie beim letzten Mal, zickig oder beleidigt reagierte, sondern sich ernsthaft entschuldigte, legte Harris versöhnlich seinen Arm um sie und zog sie mit sich.
    »War ’ne harte Nacht für dich. Ich mach uns jetzt ein Frühstück, und du erzählst mir, was passiert ist.«

27.
    An diesem Freitagvormittag war das Revier verwaist. Schneider hatte trotz strömenden Regens alle verfügbaren Beamten zu Befragungen an die Haustüren des Ortes und der erneuten Durchsuchung des Waldes geschickt. Noch immer hoffte er, ein winziges Detail übersehen zu haben, das, wie er sich ausdrückte, die Lösung des gordischen Knotens sein könnte.
    Der Inhalt des Faxes, welches tagelang unbeachtet auf Harris’ Schreibtisch gelegen hatte, hatte zwar für extremen Wirbel gesorgt und Robert erneut in den Fokus der Ermittler gerückt, letztendlich aber reichte es nicht, Robert die Morde an sechs Frauen nachzuweisen. Dennoch war die Erkenntnis, dass alle Frauen mit Robert mehr oder weniger intensive sexuelle Beziehungen hatten, die Sensation des Tages gewesen. Außer bei der Frau auf den Bahngleisen hatte Robert allerdings inzwischen lückenlose Alibis für die Tatzeiten vorweisen können.
    Eine ungewohnte Stille herrschte in der Baracke, nur die Kaffeemaschine in Harris’ Büro gab laute Schlürfgeräusche von sich, eine einzelne große Fliege brummte nervtötend durch den Raum, und ab und zu klickte die

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