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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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seiner
Hand schien sagen zu wollen, er müsse nun allein mit seiner Sache fertig werden. Er wandte sich zum Gehen. Unten im Torweg erwies er dem Kepler mit Hutschwenken und Sichverneigen seine Reverenz.
»Ich bin dem Herrn für seine Güte sehr verbunden, sehr
bald, am übernächsten Tag, denk' ich, wird der Herr von
mir hören. Wenn der Herr recht behält und die Sache miß
lingt, — nun gut, so hab' ich noch den Ring, den ich aus dem
Türkenkrieg als rare Beute davongebracht hab'. Will sehen, was ich auf ihn zuwege bring'. Bis dahin bin ich des
Herrn treugehorsamer Diener.«
Er schwenkte nochmals seinen Hut, und dann ging er
die steile Gasse hinauf und an dem Bretterzaun vorbei,
hinter dem die Frösche, als täten sie es ihm zu Trotz, ihre
Stimme noch lauter als zuvor erhoben.
    In einem Haus in der Jakobsgasse, nicht weit vom Altstädter Ring, lebte um diese Zeit ein alter Mann mit Namen Barvitius, der war einstmals ein großer Herr im Königreich und zuletzt sogar Geheimer Rat gewesen, war aber aus dem Dienst entlassen worden, weil er bei des Kaisers Kammerdiener, dem Philipp Lang, in Ungnade gefallen war. Auch hatte er sein Geld und Gut teils am Spieltisch gelassen, teils in mißglückten Handelsgesellschaften verspekuliert, und so hätte er, wenn es mit rechten Dingen zugegangen wäre, seine alten Tage in Armut und Dürftigkeit verbringen müssen. Und doch lebte er so, wie er immer zu leben gewohnt gewesen war. Er lud Gäste zu sich, hielt sich Dienerschaft, auch Pferde und Wagen, - obwohl er es meist vorzog, um seiner Gesundheit willen, wie er sagte, zu Fuß zu gehen, - war in vielen adeligen Häusern am Spieltisch anzutreffen, hielt auf gute Küche und exquisite Weine, — kurzum, er versagte sich nichts.
    Es ging eben bei ihm nicht mit rechten Dingen zu. Wer ihn an Sonn- und Feiertagen, auf seinen Krückstock gestützt, in die Heiligen-Geist- oder in die Teinkirche zur Predigt gehen sah, der wäre nicht auf den Gedanken gekommen, daß dieser respektabel, ja ehrwürdig aussehende alte Mann das Haupt einer Diebsbande war.
    Die meisten von denen, die der Barvitius um sich geschart hatte und zum Diebsgeschäftverwendete, waren von Grund aus verderbte und verlotterte Burschen von dunkler Herkunft, Kerle, die für einen halben Gulden Gott und seine Heiligen verkauft hätten, — das wahre Galgenfutter. Es gab aber auch Söhne ehrbarer Bürger in der Bande, die auf Ab wege geraten waren, weil sie ehrliche Arbeit scheuten wie der Teufel den Weihkessel, hingegen zu jedem liederlichen Streich, der ihnen Geld einbrachte, und wenn es nicht anders ging, auch zu einem Messerstich bereit waren. Unter ihnen war einer, der Georg Leitnizer, Sohn eines Goldwirkers vom Kleinen Bing und gewesener Student, der seiner leidlich guten Manieren und seines beweglichen Verstandes wegen das besondere Vertrauen des Barvitius genoß. Diesen Georg Leitnizer ließ der Barvitius fast alle Tage zu sich kommen, während ihn die anderen nur bei seltenen Gelegenheiten und auch dann nur des Nachts, bei Kerzenlicht, und wenn er sich das Gesicht vermummt oder sonstwie unkenntlich gemacht hatte, zu sehen bekamen.
    Alle aber waren sie dem Barvitius in blindem Gehorsam ergeben. Sie wußten, daß sie ohne ihn nichts vermochten. Er spähte die Gelegenheiten aus. Er entwarf unter Bedachtnahme auf alle Umstände, die etwa eintreten konnten, die Pläne. Und er traf seine Vorbereitungen mit solcher Umsicht, daß ihm nur selten ein Anschlag mißglückte. An einem Tag im November, es war noch früh am Morgen, kam der Leitnizer wieder zum Barvitius. Er traf ihn daheim an, wie er mit sich selbst Karten spielte, bald auf diese, bald auf jene Karte einen Gulden oder zwei setzte und unbändig fluchte, wenn er verlor. Das gefiel dem Leitnizer nicht. Denn der Barvitius vertrieb sich meist dann auf solche Art die Zeit, wenn er in übler Laune war, wenn er bei einer Sache, die er betrieb, auf unvorhergesehene und schwer zu überwindende Schwierigkeiten gestoßen war und bisweilen auch wenn ihn die Gicht plagte, denn die machte ihm viel zu schaffen.
    Die Art, wie der Barvitius ihn empfing, deutete auf die allerübelste Laune hin.
»Bist du wieder da?« schnaubte er ihn an. »Hab' ich dich kommen heißen? Kannst du mich nicht einen Tag lang in Frieden lassen?«
»Es regnet. Ich hab' mir kalte Füße geholt«, sagte der Leitnizer. Er setzte sich an den Kamin, zog die Schuhe aus, streckte die Beine von sich und tat so, als wäre er nur gekommen, um sich an des Barvitius'

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